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Der erste Roman von Anne Rabe

Auch als Ada dann meine beste Freundin war, wusste ich, zu dem Kreis dieser Gemeinschaft würde ich nie gehören. Dieses Gefühl verstärkte sich, wenn ich bei Ada zu Besuch war. [...] Einmal, da saß ich mit Ada und ihren Schwestern in der Küche. Die Mädchen falteten ihre Hände zum Gebet. Ich tat es ihnen gleich, auch wenn ich nicht genau wusste, wie. Ein bisschen Angst, etwas falsch zu machen, hatte ich auch. Doch Adas Mutter sagte mir, ich solle mit dem Essen anfangen, ich bräuchte nicht zu beten. Ich nahm meinen Löffel, schaufelte den heißen Milchreis in mich hinein und schämte mich. Eine Weile lang strengte ich mich sehr an, auch an Gott zu glauben, aber es klappte nicht. Um mich von dem Irrsinn zu befreien, nahm Vater mich mit auf ein Erntedankfest in einer Dorfkirche. Mutter war der festen Überzeugung, der Gottesdienst würde mir so albern und langweilig vorkommen, das würde mich von allen religiösen Ambitionen befreien. Tatsächlich war es eiskalt in der Kirche und ich auch nicht besonders dick angezogen. Trotzdem war ich gewillt, hier meine Erweckung zu erleben. Ich lauschte gebannt der Predigt und den Liedern und strengte mich sehr an, dabei etwas zu fühlen. Aber nichts. Viel schlimmer noch. Panik stieg in mir auf, als der Pastor von der Kanzel stieg und durch die Reihen ging, um Einzelne in der Gemeinde zu fragen, warum sie glaubten. Ich saß direkt am Gang und befürchtete, der Geistliche könnte neben mir stehen bleiben und dann müsste ich gestehen, dann müsste ich zugeben, dass ich gar nicht an Gott glaubte, dass ich noch nicht einmal ein Vaterunser aufsagen konnte. Ich wurde zum Glück nicht gefragt, aber ich befreite mich selbst von der Last meines zarten Kinderglaubens, indem ich Mutter gegenüber bestätigte, dass es wirklich ganz furchtbar gewesen sei.

Ein Typ erklärte mir Sternenbilder und dass sie aber bloß ein Blick in die Vergangenheit wären und auch, dass die Konstellation der Sterne überhaupt nichts zu bedeuten hätte, alles Aberglaube, aber auch irgendwie schön, denn es wäre doch gigantisch, dass die Menschen immer nach einem Sinn suchen würden. Würden sie nicht mehr nach diesem Sinn suchen, dann wäre die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben und eine Welt, die für alle Menschen ein Zuhause sei, endgültig im Arsch.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)