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Zum Tod des Schriftstellers John Jakes

George Hazard setzte sich in einem Café in Mexico City an einen Tisch im Freien. Die Oktobersonne schien sanft. Pickett, Tom Jackson und Sam Grant waren ebenfalls dabei. Seit Monaten waren die vier zum ersten Mal wieder zusammen.
Jackson räusperte sich. "Ist deine Freundin katholisch, George?"
"Ja, warum fragst du?"
"Nur um dich daran zu erinnern, dass deine Karriere beeinträchtigt werden könnte, wenn du eine Papstgläubige heiraten solltest. Ich habe das neulich erfahren, weil ich – weil ich mich mit einer jungen Frau aus dieser Stadt angefreundet habe."
Pickett lehnte sich neugierig vor. "Was, du, General? Du machst einer Senorita den Hof?"
Jackson errötete und starrte in sein Weinglas. "Ja. ich habe die Ehre. Leider befürchte ich, dass eine Heirat ausgeschlossen ist. Vor Gott sind zwar alle Menschen gleich, aber in den Augen des Generalstabs und der Mehrheit der Amerikaner sind die Katholiken weniger gleich als andere."
Grant und Pickett lachten, aber George blieb ernst. In seiner Liebe zu Constance versuchte er, die religiöse Frage beiseite zu lassen. Er wusste zwar, dass es ein potentielles Problem war, versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen, als er sagte: "Ich mache mir keine großen Sorgen um meine Karriere. In weniger als drei Jahren ist meine Dienstzeit um."

Isabel, die Frau von Georges Bruder Stanley, kramte die alten Horrorgeschichten über die katholischen Priester wieder hervor, die einen schlechten Einfluss auf ihre Pfarrei und folglich auf deren Kinder ausübten. Doch ihre eigentliche Zielscheibe war George. Während Wochen war sein angeblich total fehlender Glaube ein beliebtes Gesprächsthema unter den Frauen der Oberschicht von Lehigh Station. Nein, George sei nicht katholisch, verkündete Isabel, aber er setze auch keinen Fuß in seine eigene Kirche, die Methodistenkirche. Liefen die armen Kinder von George und Constance nicht Gefahr, gottlos aufzuwachsen? Leute, die sich früher nie Gedanken über dieses Problem oder über Georges Charakter gemacht hatten, redeten plötzlich kaum noch über etwas anderes.

"Constance ist eine kluge Person und hat mehrere gute Eigenschaften", sagte Isabel. "Man hat mir gesagt, dass die Katholiken ein sonderbar bigottes Volk sind, aber ich habe das nie glauben wollen, bis ich sie kennengelernt habe. Ich bin sicher, dass ihre Haltung auf den Einfluss der Priester und Nonnen zurückzuführen ist. Wie kann jemand, der ewig in einer dunklen Zelle lebt, na ja, ganz richtig sein? Und man hört ja auch die entsetzlichen Sachen über Frauenklöster."

"Die Sklaverei ist ein Übel, das mit allen dafür notwendigen Mitteln ausgerottet werden muss. Reverend Channing versucht, an die christlichen Gefühle der Sklavenbesitzer zu appellieren, aber das hat sich bislang als erfolglos erwiesen", sagte Judith Stafford.
"Damit wird er auch nie Erfolg haben. Die Stimme des Geldes ist hier im Süden lauter als die Stimme Gottes."
"Ist das nicht überall so? Aber wie können wir in diesem Land von Freiheit reden, wenn die Hälfte der Bevölkerung in Unfreiheit lebt?"
"Mein Vater sagt, dass die Sklaverei ein Positivum ist."
"Nichts gegen Ihren Vater, aber Despoten glauben immer, dass sie Wohltäter sind."
Cooper lächelte. "Ich sehe, Sie haben Ihren Reverend Weld gelesen." [...]
George hatte seine Schwester Virgilia sagen hören, dass Welds Traktat "American Slavery As It Is" das wichtigste und einflussreichste Dokument gegen die Sklaverei sei, das je in den Vereinigten Staaten veröffentlicht worden war.
[Anm. des Webmasters: Der Theologe Theodore Weld (1803-1895), einer der Anführer der Anti-Sklaverei-Bewegung, ist in Deutschland kaum bekannt. Warum könnte in einem kirchenhistorischen Seminar nicht mal ein deutschsprachiger Wikipedia-Artikel über ihn geschrieben werden?]

Der stolze Hugenotte Charles de Main hatte in Frankreich wegen seiner Religion schweres Leiden auf sich genommen. Dieses hatte seinen Glauben beinahe zerstört. Es war sein Wille gewesen, und nicht eine höhere Macht, der ihn trotz der glühenden Eisen der Folterer am Leben erhalten hatte. Zwar glaubte er immer noch an ein höheres Wesen, doch das Bild, das er sich davon machte, hatte sich geändert: Gott war gleichgültig. Er hatte keinen wohlwollenden Plan für den Kosmos oder dessen Kreaturen, wahrscheinlich hatte er überhaupt keinen Plan. Ein Mann sollte sich deshalb ausschließlich auf sich selbst verlassen. Sicher schadete es nicht, wenn man Gott ab und zu höflich die Ehre erwies, so wie man das auch mit einem altersschwachen Onkel tat, doch wenn es um die eigene Zukunft ging, tat ein weiser Mann besser daran, sein Geschick in die eigenen Hände zu nehmen.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)