"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
12. Folge: 7 Fragen an Julia Enxing

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die zwölfte Folge des MFThK-Kurzinterviews kommt aus Münster. Die Theologin Julia Enxing ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität Münster und hat gerade unter dem Titel Gott im Werden als 50. Band der von Klaus Müller und Thomas Pröpper begründeten Reihe "ratio fidei" ihre bei Klaus Müller erstellte Dissertation über die Prozesstheologie Charles Hartshornes veröffentlicht.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Weil ein Kennenlernen und eine Auseinandersetzung mit der prozesstheologischen Gotteslehre die eigene Theologie verändern kann und eine Reflektion des prozesstheologischen Gotteskonzeptes nicht nur den eigenen theologischen Horizont erweitert, sondern auch fruchtbare Anregungen für das eigene Theologietreiben bereit hält.
Mit Gott im Werden liegt die erste und bislang einzige umfangreiche und kritische deutschsprachige Untersuchung zu Charles Hartshornes Prozesstheologie vor. Der bislang eher sporadisch rezipierte prozesstheologische Ansatz zeigt innovative Wege auf, die Gott-Welt-Beziehung neu zu denken und gibt dabei Antworten auf zentrale Frage des - nicht nur christlichen - Welt- und Gottesbildes.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Gott im Werden zeigt auf, dass gerade eine bewegte Gottheit, ein "most moved mover" es vermag, in einer wechselseitigen Liebesbeziehung zur Schöpfung zu stehen. Es bietet somit einen realitätsnahen und wirklichkeitskompatibeln Ansatz, Gott und Welt neu zu denken, ohne dabei an der Frage nach dem Leid in der Welt zu zerbrechen.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Die Diskussion um die Gottesattribute erfährt in der aktuellen theologischen Diskussion erneut eine Blüte. Gott im Werden knüpft genau hier an und liefert sowohl einen anschlussfähigen als auch bedenkenswerten Ansatz, der sich als wertvoller Beitrag für die philosophische Gotteslehre erweisen kann.
Dass nichts bleibt wie es ist, wurde gläubigen Christ_innen gerade zu Beginn dieses Jahres deutlich. Papst Benedikt XVI. tritt zurück, im Wissen um die Grenzen seiner Prozessfähigkeit; im Wissen darum, das Tempo der Zeit weder aufhalten noch angemessen aufgreifen zu können. Mit Papst Franziskus verbinden viele Gläubige die Hoffnung und Erwartung auf eine innerkirchliche Reform, auf ein offenes Diskutieren der "Zeichen der Zeit". Von der Hoffnung und Treue eines prozessfähigen, flexiblen und in einer reziproken Liebesbeziehung zur Schöpfung lebenden Gottes zu berichten und diese in Werken und Taten inner- und außerhalb kirchlicher Strukturen zu leben, kann nur authentisch in einer Kirche Wirklichkeit werden, die sich nicht selbst als unbewegbare Hüterin der Vergangenheit versteht, sondern offen und kritikfähig für die Prozesse der Welt ist.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Prof. Dr. Ingolf Dalferth

5. Ihr Buch in einem Satz:

Gott im Werden erschließt das prozesstheologische Gotteskonzept Charles Hartshornes und zeigt dessen Stärken und Schwächen für die zeitgenössische Theologie auf.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

1) Die Bibel
2) Judith Butler: Gender Trouble
3) Fjodor M. Dostojewski: Die Brüder Karamasow
4) Jeannette Walls: The Glass Castle
5) Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage

7. Auf Ihrer Homepage haben Sie als eine Ihrer Forschungsschwerpunkte "Gender Studies; feministische Theologie" angegeben. Welche Rolle spielt die Genderfrage bisher in der US-amerikanischen Prozesstheologie?

Die Problematik eines "männlichen Gottesbildes" wurde längst artikuliert. Hierbei ist es kein Zufall, dass sich gerade unter den feministischen Theologinnen und Theologen viele Prozesstheologinnen und -theologen finden lassen (z.B. Catherine Keller, Sallie McFague, Monica Coleman, John Sweeney). Sie alle stehen für das Bemühen um geschlechtersensible Gottesbilder, die die Problematik eines "männlichen Gottesbildes" aufdecken. Hierbei soll Abstand genommen werden von dichotomen Pauschalbestimmungen (wie etwa "typisch männlich" (hierunter sind Attribute wie: standhaft, stark, unabhängig zu verstehen) und "typisch weiblich" (gemeint sind vor allem die Attribute: kommunikativ, fürsorglich, sensibel)) die ein Gottesbild pflegen, das aufgrund seiner Unabhängigkeit, seiner Macht und seiner Absolutheit das Göttliche zum Männlichen und das Männliche zum Göttlichen macht. Frauen werden in diesem Zusammenhang zu oft als unmännlich, sprich ungöttlich, verstanden, wodurch bereits bestehende problematische Herrschaftsverhältnisse tradiert und gefestigt werden. Den fortschrittlichen und aktuellen gendersensiblen (Prozess-)Theologien geht es um eine Dekonstruktion von Geschlechtern, von Zuschreibungen, die anthropomorphe Machtverhältnisse auf Gott übertragen. Ihr Ziel ist es, eine Sprache, eine Theo-Logie zu entwickeln, die Geschlechterbarrieren abbaut und der es um eine vernünftige und reflektierte Gottesbeziehung geht - unabhängig von Kategorien. Dass das Verständnis eines Gottes im Werden, mit seiner höchst flexiblen und sensiblen reziproken Zugewandtheit, positive Auswirkungen für eine Sprach- sowie Beziehungsfähigkeit auf Erden hat, liegt hierbei nahe. So legt beispielsweise die US-Amerikanerin Catherine Keller beeindruckende Forschungsergebnisse vor, die besonders von ihrer theopoetischen Sprache geprägt sind. Ihre innovative Gotteslehre und die von ihr immer auch aufgezeigten praktischen Implikationen können und sollten Anreiz und Beispiel für weitere Forschungen sein.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)