"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
18. Folge: 7 Fragen an Florian Mittl

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die 18. Folge des MFThK-Kurzinterviews kommt aus der Steiermark. Florian Mittl studierte katholische Theologie und Französisch in Graz und Paris und promovierte sich 2011 bei dem Grazer Fundamentaltheologen Gerhard Larcher mit der Arbeit "Hoffnung als anthropologische Grundkategorie. Fundamentaltheologische Beiträge aus der Diskussion mit Gabriel Marcel". Die Studie ist gerade in der Reihe "ratio fidei" erschienen. Mittl arbeitet als Religions- und Französischlehrer, in der Erwachsenenbildung und als Lehrbeauftragter am Institut für Fundamentaltheologie der Universität Graz.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Ich entwickle in meiner Arbeit eine Erkenntnistheorie, die über einen pathischen Zugang zu Glaube und Wahrheit fundamentale Facetten des Menschseins anspricht und daher höchst aktuell ist. Gabriel Marcels innovative Phänomenologie führt über das Durchbuchstabieren teilweise banal erscheinender Alltagssituationen zu einer "Hoffnung, die Gründe nennt" und ist imstande, die je eigenen Pathologien von Religion und Vernunft zu überwinden.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Unsere postmoderne Welt des Pluralen und Relativen ist auf paradoxe Weise auch von einer Sehnsucht nach verlässlichem Sinn, Wahrheit und Authentizität getrieben. Durch das Zusammen- und Weiterdenken von drei wichtigen philosophisch-theologischen Positionen des 20. Jahrhunderts (Gabriel Marcel, Hans Urs von Balthasar und Hansjürgen Verweyen) werden einige Gehalte dieser Sehnsucht aufgezeigt und neu erschlossen. Das aus der Analyse der drei Denker gewonnene philosophische Instrumentarium wird in einem zweiten Schritt an drei "klassischen Reibebäumen" im theologischen (bzw. religionskritischen) Diskurs - Theodizee, Gebet und Wunder - praktisch erprobt. Das dritte Kapitel widmet sich Marcels dramatischem Schaffen, da dessen Werk wesentlich von der gegenseitigen Befruchtung von Theater und Philosophie getragen wird. Das Drama ist für Marcel die ideale Gattung, um die pathische Verwurzelung des Menschen zum Ausdruck zu bringen. Ein im Laufe der Arbeit immer wieder neu angeschärfter und im Horizont der Hoffnung lozierter Glaubensbegriff unterscheidet sich deutlich von bloßer Meinung, naivem Optimismus und stoischer Indifferenz und trägt somit Paul Ricœurs Forderung nach einer Entmythologisierung ohne gleichzeitiger Entmystifizierung Rechnung.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Gabriel Marcels einflussreiches aber in Vergessenheit geratenes Werk wird systematisiert und für die (Fundamental-)Theologie fruchtbar gemacht, ohne dem Philosophen ein Etikett aufzuzwingen. Die Zusammenschau des Denkens der drei gewählten Autoren ermöglicht einen praktischen Zugang zu wesentlichen Glaubens- und Lebensfragen und erfüllt Karl Rahners Wunsch nach einer theologischen Anthropologie. Die Fokussierung auf eine begründete Hoffnung führt zu einem tieferen Verständnis des christlichen Propriums und bietet Argumente sowohl für den interreligiösen Dialog, als auch für die Auseinandersetzung mit der Religionskritik.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit Hansjürgen Verweyen, sowie im Geiste mit Karl Rahner, Hans Urs von Balthasar und Gabriel Marcel.

5. Ihr Buch in einem Satz:

Christliche Hoffnung kann Gründe nennen und befähigt zu einem positiven Lebensentwurf.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Die Bibel - der zentrale Text unseres Glaubens und ein ewiger Klassiker der Weltliteratur, der zum Immer-wieder-Lesen einlädt und ständig Neues bereithält.
Balthasar: Apokalypse der deutschen Seele
Dostojewskij: Die Brüder Karamasow
Hesse: Demian
Bulgakow: Der Meister und Margarita

7. Ihr Lieblingszitat von Gabriel Marcel?

"Einen Menschen lieben, heißt sagen: du wirst nicht sterben." Dieser zunächst bizarr anmutende Satz gehört zu den meist zitierten Worten Marcels und war auch für mich der erste Berührungspunkt mit seinem Werk. Während ich die Formulierung zunächst als zu romantisch und geradezu banal empfand, wollte ich später wissen, warum ein namhafter Philosoph sein Werk ausgerechnet auf diesem Satz aufbaut. Ausgehend von seiner stringenten Phänomenologie der Intersubjektivität kommt Marcel zu dem Schluss, dass der Tod das Innerste eines Menschen, d. h. jene Elemente, die einen Menschen zur Person machen, nicht zu zerstören vermag. In der Liebe wird das Sein des anderen bekräftigt und über die Schwelle des Sterbens hinausgetragen. Der Tod stellt eine Zäsur und einen Abgrund, aber kein Ende dar. Würde gleichzeitig mit dem Tod der geliebten Person das Gefühl der im co-esse verankerten Verbundenheit verschwinden, wäre diese Person auf ein bloßes Objekt reduziert. Die Erkenntnis, dass eine solche Verobjektivierung letztlich nicht durchhaltbar ist, zieht sich als Leitmotiv durch Marcels Werk und ermöglicht es ihm, ein "ontologisches Wir" zu denken, in dem die eigene Person, andere Menschen sowie der ganz Andere Platz finden.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)