"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
27. Folge: 7 Fragen an Andreas Benk

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die erste Folge des Jahres 2017 kommt aus Schwäbisch Gmünd. Als Professor für Katholische Theologie/Religionspädadogik lehrt hier seit 2002 Andreas Benk. Gerade ist sein neues Buch erschienen: Schöpfung – eine Vision von Gerechtigkeit.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Die Welt braucht nicht dieses Buch, sondern wir benötigen die Einsicht, was wir in der Welt durch unser Tun und Unterlassen bewirken. Vielleicht ändern wir dann auch unseren Lebensstil und nutzen unsere politischen Gestaltungsspielräume. Das Buch ist nur eine Stimme in einem immer stärker werdenden Chor, der ein radikales Umdenken und eine Humanisierung der herrschenden Verhältnisse fordert.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Der Schöpfungsgedanke zieht unseren Blick nicht zurück in die Vergangenheit, sondern richtet ihn auf unsere desolaten Verhältnisse und eine mögliche Zukunft. Biblische Schöpfungstexte sind Visionen: Wer "Schöpfung" sagt, fordert globale Gerechtigkeit – nicht in einem fernen Jenseits, sondern für unsere Welt.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Bevorzugte Gesprächspartnerinnen der Theologie und der kirchlichen Bildungswerke sind beim Thema "Schöpfung" die Naturwissenschaften. Dabei wird dann gebetsmühlenhaft wiederholt, dass Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliches Wissen sich bereichern können und je unterschiedliche Dimensionen der Wirklichkeit aufdecken. Das geht nun schon mehrere Jahrzehnte so, ermüdet die einen und kann die anderen nicht überzeugen. Doch durch die Fixierung auf die Naturwissenschaften wird die Schöpfungsthematik von Anfang an im falschen Kontext expliziert. Wer dem Anspruch biblischer Schöpfungstexte genügen will, braucht sich nicht an astrophysikalischen Weltmodellen oder den Erkenntnissen der Evolutionsbiologie abzuarbeiten. Um den Wahrheitsanspruch biblischer Schöpfungshoffnung einzulösen, ist den Übergangenen, Vergessenen und Totgeschwiegenen unserer Erde Gehör und Geltung zu verschaffen. Kontexte im ganz wörtlichen Sinn für die Schöpfungsthematik sind Berichte über Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Diskriminierung, Marginalisierung, Gewalt, Armut, Hunger, Rüstung, Menschenrechtsverletzungen und Flucht, aber auch über Tierquälerei und Naturzerstörung in allen Variationen.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Z. B. mit Donald Trump, aber Auge in Auge und mindestens zwei Stunden lang, nicht per Twitter.

5. Ihr Buch in einem Satz:

"Schöpfung" drückt die Hoffnung aus, dass alles ganz anders sein könnte: gerechter, lebensfreundlicher, menschlicher – und damit gottgewollter.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Walahfrid Strabo: De cultura hortorum: Lateinisch/Deutsch = Über den Gartenbau . Übers. u. hrsg. von Otto Schönberger, Stuttgart 2015.
Hildegard von Bingen: Naturkunde: "Physica". Das Buch von dem inneren Wesen der verschiedenen Naturen in der Schöpfung, Salzburg 1986.
Dorothee Sölle: Mystik und Widerstand. "Du stilles Geschrei", Hamburg 1997.
Simone Weil: Cahiers = Aufzeichnungen I-IV. Hrsg. u. übers. von Elisabeth Edl u. a., München/Wien 1991-1998.

7. Die siebte Frage stammt von Gregor Predel, Verfasser der "Schöpfungslehre" in der Reihe Gegenwärtig Glauben Denken - Systematische Theologie: In einem evolutiven Universum gibt es prinzipiell mit statistischer Notwendigkeit natürliche Übel (P. Teilhard de Chardin). Wie kann angesichts der offensichtlichen undifferenzierten "Willkür", mit der diese Übel (z.B. Naturkatastrophen wie Erdbeben, Tsunamis etc., aber auch bestimmte Krankheiten) Menschen treffen können, von einer Vision der Gerechtigkeit in der Schöpfung gesprochen werden?

Das ist nur in eschatologischer Perspektive möglich. Im Hinblick auf die in der Frage genannten Übel, aber auch in Anbetracht des von Menschen zu verantwortenden Leids ist "Gerechtigkeit in der Schöpfung" weder gegeben noch war sie je gegeben. Biblische Visionen einer gerechten Welt und prophetische Heilsworte genauso wie die Reich-Gottes-Botschaft Jesu sind handlungsleitend. Sie fordern und übersteigen das Menschenmögliche. Visionäre Schöpfungstheologie erhofft sich die Vollendung von Gott. Sie setzt auf die Verheißung, dass die Welt doch noch werden kann, was sie niemals war: sehr gut. – Die Theodizeeproblematik, die in der Frage anklingt, wird dadurch nicht gelöst.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)