"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
40. Folge: 7 Fragen an Gregor Maria Hoff
anlässlich des Erscheinens seines Buches

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die Fragen der 40. Folge beantwortet der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff. Kürzlich ist ein Buch von ihm erschienen, welches den Titel Religionsgespenster – Versuch über den religiösen Schock trägt.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Weil es bedrängende Probleme unser Zeit bearbeitet. Sie sind eng mit Religionsakteuren und ihren Agenden verbunden. Sie greifen tief in unsere gesellschaftliche Selbstverständigung ein. Das betrifft nicht zuletzt die vielfältigen kulturellen Alltags-Verschaltungen von Religiösem und Säkularem. Aufklärung darüber ist gerade in einer Welt gefragt, die Bücher zunehmend weniger zu brauchen scheint, sprich: sich der intellektuellen Auseinandersetzung zumal in Fragen religiöser Einstellungen und Überzeugungen zu entziehen droht und sie allzu leicht und schnell in politische Anwendungen oder Vorurteile überführt.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Den "Religionsgespenstern" geht es um die Bestimmung von Anziehungs- und Abstoßungsverhältnissen in Sachen Religion. Die Metapher vom Gespenst bezeichnet den Schockwert eines Phänomens, das abgelebt schien und eine neue Vitalität annimmt. Transzendenz ist unheimlich, weil nicht beherrschbar. Das Buch geht kulturellen Religionscodes nach, um Markierungen religiösen Eigensinns theologisch zu analysieren, wo sie in gesellschaftliche Praktiken und Deutungsmuster eingehen. Das Buch versteht sich als Beitrag zur kulturellen Selbstverständigung, aber auch als Impuls, Theologie konsequent aus dem Material ihrer Zeit zu denken - etwa mit der Auflösung gespenstischer Hybridität im Zeichen des christlichen Auferstehungsglaubens.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

"Angst vor Religion" (J. Casanova) gehört zu den Zeichen unserer Zeit – die Debatten um den Ort des Islam in offenen westlichen Gesellschaften belegt dies tagespolitisch aktuell. Theologie und Kirche sind davon unmittelbar betroffen. Theologisch grundsätzlicher stehen Figuren eines Lebens im Übergang mit den "Religionsgespenstern" zur Diskussion – die Grenzen von Leben und Tod werden damit kulturell vermessen. Die realen Gespenster des Lebens, die auf dem Buch-Cover mit einem Kunstprojekt an der mexikanisch-us-amerikanischen Grenze ("Border Cantos") ausgewiesen sind, legen verstörende Transzendenz-Codes frei, an denen sich die Relevanz theologischer Weltdeutungsarbeit zu erweisen hat.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit Javier Marías, dem literarischen Experten für die gespenstischen Abgründe menschlicher Existenz; moderiert von Armin Nassehi, der Feinsinn für die spektralen Dimensionen post/moderner Gesellschaften besitzt und sie so in Theorie zu übersetzen vermag, dass sich daraus ständig kluge Fragen ergeben.

5. Ihr Buch in einem Satz:

"Religionsgespenster" verkörpern prekäre Transzendenz, die sich an gesellschaftlichen Kontaktzonen von Tod und Leben aufladen und eigene Religionscodes freisetzen – so verstörend wie erregend und genau deshalb kritische (theologische!) Reflexion herausfordernd.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

.... einen Roman der langen theologischen Dauer: Thomas Manns "Joseph und seine Brüder" ...
... ein Buch zur Vergewisserung, dass es die Welt auch jenseits der Insel gibt: Neil McGregors "Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten" ...
... einen Reiseführer, mit dem ich die andere Welt finden kann: den "Atlas der ungewöhnlichsten Orte", um auf meiner Insel das Fliegen zu lernen ...
... einen Gedichtband von Durs Grünbein - als Wortschatz ...
... und, natürlich, wie anders: Die Bibel - mehrsprachig bitte, wenn noch Platz auf meiner Insel ist ...

7. Die siebte Frage stammt vom Kölner Theologen Hans-Joachim Höhn: Inwiefern braucht das Schreiben über Religionsgespenster seinerseits einen "gespenstischen" Stil?

Offensichtlich löst das eigene Schreiben gespenstische Assoziationen aus – insofern braucht es vielleicht einen Stil, der metaphorisch, syntaktisch Zwischenräume eröffnet (was den Frühromantikern nicht unvertraut war). Das assoziative Moment, das sich mit der Konstellierung gespenstischer Auftritte von Religionen verbindet, hat im Ansatz selbst etwas Übergängiges. Der essayistische Stil sucht dem eine Form zu geben. Jacques Derrida hat dies, selbst am Spektralen interessiert, in die Verschiebung von mehreren Textebenen in "Glas" transponiert. Das "Gespenstische" bestünde demnach in der Schreibform von Passagen. Sie arbeitet, man denke an Walter Benjamin, an phänomenologischer Präzision und analytischer Schärfe. In dieser Hinsicht verlangen die rezenten Religionsgespenster einen Stil, den Hans-Joachim Höhn gespenstisch nennt.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)