"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
48. Folge: 7 Fragen an Helmut Hoping
anlässlich des Erscheinens seines Buches

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die Fragen der 48. Folge beantwortet der Freiburger Dogmatiker Helmut Hoping. Gerade ist sein neues Buch erschienen: Jesus aus Galiläa – Messias und Gottes Sohn.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Von welchen Büchern kann man schon sagen, dass die Welt sie braucht? Sicher gilt das für die Bibel. Daneben wären noch einige Jahrhundertwerke von Philosophen und Literaten zu nennen und – nicht zu vergessen – die Partitur der ganz großen Werke der Musik. Mein Buch braucht die Welt nicht, für die Theologie könnte es aber nützlich sein.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Es wirft u.a. ein neues Licht auf das theologisch bedeutsame Judesein Jesu, vertieft den Präexistenz- und Inkarnationsgedanken und gibt Orientierungen für das interreligiöse Gespräch im Raum des einen Gottes.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Das Buch zeigt, dass Theologie jenseits kirchlicher Strukturdebatten immer noch lohnend ist.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit Karl Barth und Joseph Ratzinger.

5. Ihr Buch in einem Satz:

Eine Christologie des menschgewordenen Sohnes Gottes ist nicht möglich ohne Berücksichtigung der jüdischen Identität Jesu. Und sie ist theologisch nur im Angesicht des ungekündigten Bundes Gottes mit seinem Volk Israel verantwortbar.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Wenn mein Aufenthalt eine Robinsonade wäre, hätte ich gerne dabei: Augustinus (Confessiones), Julien Green (Jeder Mensch in seiner Nacht), Martin Mosebach (Als das Reisen noch geholfen hat), Dante Alighieri (Divina Commedia) und natürlich die Bibel.

7. Um sowohl die evangelische als auch die jüdische Theologie ins Gespräch mit der neuesten Christologie katholischer Provenienz zu bringen, ist die siebte Frage erstmals unterteilt in eine Frage 7a und eine Frage 7b. Die Frage 7a stammt von dem evangelischen Theologen Christian Danz: Helmut Hoping, Sie haben einen grundlegenden Entwurf einer Christologie vorgelegt, der die historische Forschung einbezieht. Aber wie lässt sich das dogmatische Christusbild methodisch an die Resultate der Geschichtswissenschaft zurückbinden?

Gegenüber der seit Reimarus immer wieder vertretenen These eines Bruches zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens schon in den Evangelien sowie der Hellenisierungsthese und ihren diversen Spielarten bis heute meine ich mit einer Reihe evangelischer und katholischer Theologen (z.B. Wolfhart Pannenberg, Gunther Wenz, Alois Grillmeier, Thomas Pröpper, Karl-Heinz Menke), dass die christologische Lehrentwicklung mit ihren Anfängen bis zu den Entscheidungen von Nizäa, Ephesus und Chalzedon weder im Widerspruch zu den trag- und konsensfähigen Resultaten der historischen Jesusforschung steht noch zum Sohnesverhältnis Jesu und seiner Sendung. Ich denke, dass dies aus meiner Rekonstruktion der neutestamentlichen Christologien und ihrer konziliaren Entfaltung auch hervorgeht.

Die Frage 7b stammt von dem jüdischen Theologen Walter Homolka: Lieber Herr Kollege Hoping, Ihr Buch strebt eine "Christologie ohne Antijudaismus" an. Wie möchten Sie die Bedeutung Jesu für das Christentum und die Welt erläutern, ohne dabei Gefahr zu laufen, das Judentum und sein Bundesverhältnis zu Gott herabzuwürdigen?

Ich nehme in meiner Christologie nicht nur theologisch ernst, dass der menschgewordene Sohn Gottes ein beschnittener und torafrommer Jude war, sondern ebenso, dass Gott Israel als Gottesvolk zu seinem besonderen Eigentum erwählt hat. Israel ist nicht verworfen, steht vielmehr im ungekündigten Gottesbund – mit den damit verbundenen Verheißungen. Ich präsentiere eine Israel bejahende Christologie, die nicht nur Israels einzigartige Stellung anerkennt, sondern die Nein sagt zur Judenmission. Wenn meine Christologie an der Göttlichkeit und Messianität Jesu festhält, sehe ich dadurch nicht das Judentum und sein Bundesverhältnis herabgewürdigt: Die im jüdisch-christlichen Dialog strittige Frage der Messianität Jesu wird ihre endgültige Verifizierung eschatogisch erfahren. Die Göttlichkeit Jesu und den Inkarnationsgedanken betrachte ich mit einer Reihe jüdischer Forscher nicht als zutiefst unjüdisch. Wie Michael Wyschogrod, Peter Schäfer, Daniel Boyarin u.a. gezeigt haben, existierten in der Zeit Jesu Ansätze für den Inkarnationsgedanken. Zu nennen wären hier u.a. der göttliche Logos in der Religionsphilosophie Philos von Alexandrien und die Vorstellung einer Einwohnung Gottes bei seinem Volk. Jede Christologie hat davon auszugehen, dass Gottes Wort Mensch wurde in jüdischem Fleisch. Damit unvereinbar sind alle Formen von Juden- und Israelfeindschaft.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)