"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
49. Folge: 7 Fragen an Ulrich Lehner
anlässlich des Erscheinens seines Buches

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb 2012 die Rubrik "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview gestartet.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind stets dieselben, nur die siebte und letzte Frage ist eine individuelle Frage. Diese wird in der Regel von einem externen Fragesteller formuliert. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die Fragen der 49. Folge beantwortet der in den USA lehrende Theologieprofessor Ulrich Lehner. Kürzlich ist sein neues Buch erschienen: Gott ist unbequem.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Jedes Buch, das auch nur einem (!) anderen hilft Gott zu erkennen und zu lieben ist schon nicht mehr unnütz auf der Welt. Und wenn ich auch nur einen Menschen so ansprechen kann, bin ich schon zufrieden. (Die Rückmeldungen zur amerikanischen und spanischen Ausgabe haben mich in diesem Eindruck bestärkt. Dass nun auch bald eine portugiesische und polnische Übersetzung kommt, sagt vielleicht auch etwas über die Frage aus).

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Ich glaube nicht, dass ich neue Perspektiven eröffne, sondern vielmehr bleibend Gutes und Wahres neu zu entdecken helfe. Die Einsichten, denen ich das Meiste verdanke sind aus der Phänomenologie, von Gabriel Marcel, Hans-Eduard Hengstenberg und Scheler – und die sind ja auch nicht mehr ganz taufrisch. Neu ist vielleicht die Akzentuierung des Glaubens als existentielles Abenteuer und die Auseinandersetzung mit dem Emotivismus.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Meiner Erfahrung nach geht man am Grundproblem vorbei, nämlich dem Indifferentismus gegenüber der Offenbarung. Das am meisten vorgebrachte "Argument" gegen das Christentum unter meinen Studenten war nie wirklich philosophisch, sondern die Anklage, dass es einfach stinklangweilig sei.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit Hans Joas, den ich auch persönlich sehr schätze, und mit Papst Franziskus, der vieles von dem was ich im Buch schreibe, vorlebt.

5. Ihr Buch in einem Satz:

Gott ist nicht langweilig.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Kommt 'drauf an. Wenn ich für den Rest meines Lebens auf der Insel sein müsste, dann eigentlich nur die Bibel. Ich glaube ich wollte meine Lieblingsromane oder philosophischen Bücher nicht ständig wiederlesen. Da würde ich viel lieber Musik mitnehmen.
Sollte es eine mittellange Robinsonade werden, dann neben der Bibel bestimmt Stefan Zweigs "Die Welt von Gestern," Sigrid Undsets "Kristin Lavransdatter," Chestertons "Father Brown Stories" und ein Werk von Oskar Maria Graf (da müsste ich jetzt ein wenig grübeln welches, wahrscheinlich "Das Leben meiner Mutter") oder Hans Falladas "Jeder stirbt für sich allein."

7. Die siebte Frage stammt von Elmar Salmann OSB: Die Theologie der Offenbarung des fremden, unverschämten Gottes, der dem Menschen heilsam in die Parade fährt, scheint in Ihrem Buch (wie schon bei Karl Barth oder Chesterton) einen sanft grimmigen und lösenden Humor zu entbinden. Wäre das ein hilfreicher Tonfall für eine Mystagogie, die auch neu und anders von den weithin in Vergessenheit geratenen 'Eigenschaften' Gottes wie Allmacht-Ohnmacht, Allwissenheit, Allgegenwart sprechen ließe?

In der Tat finde ich, dass die Offenbarung in der Tat packender, humorvoller und damit lebensnaher verkündet werden kann. Persönlich hat mich dabei Dorothy Sayers' Essay "Das grösste Drama aller Zeiten", das eines von Barths ganz wenigen Übersetzungswerken war, schon als Student fasziniert – heute noch mehr als damals. Sayers wandte übrigens ihren Ansatz auch auf die Trinitätstheologie an, allerdings mit mäßigem Erfolg, meine ich.
Als jemand, der sich vor allem mit der frühen Neuzeit befasst, erlebe ich eine solche Mystagogie in den großen Predigtwerken der Zeit, die seit Generationen nur mehr von Philologen aber nicht mehr von Theologen gelesen werden, und in den novellenartigen Heiligenviten. Wenn man von beiden Textgattungen die hagiographischen Überspanntheiten abzieht, entdeckt man nämlich auf einmal eine menschennahe Theologie der Allgegenwart und Allmacht Gottes. Ich habe selten so oft laut in der Bibliothek auflachen müssen als während der Lektüre von Barockpredigten. Das ist es auch was mich an der Zeit so fasziniert: Auf der einen Seite trockene Barockscholastik – auf der anderen kernige Mystagogie. Predigten wie jene von Klaus Müller, der eine Mystagogie der Gottesattribute in der Sprache des 21. Jahrhunderts anbietet, waren daher für mich immer Pflichtlektüre.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)