"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
7. Folge: 7 Fragen an Otto Weiß

MFThK-Leseprobe aus seinem neuen Buch

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
In der siebten Folge beantwortet erstmals ein Theologiehistoriker die Fragen des MFThK-Kurzinterviews: Otto Weiß, in Wien lebender Autor des Standardwerkes Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte (1995). Unter dem Titel Der erste aller Christen hat Weiß gerade eine Untersuchung Zur deutschen Pascal-Rezeption von Friedrich Nietzsche bis Hans Urs von Balthasar veröffentlicht.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Weil es zeigt, wie sehr Pascal deutsche Theologen, Philosophen und Dichter auch noch im 20. Jahrhundert fasziniert hat, und damit beweist, dass Pascals bohrende Fragen noch immer denk-würdig und "modern" sind, nicht zuletzt dort, wo er dem "Elend" und der "Größe" des Menschen nachgeht. Bedenkenswert sind noch immer seine Antworten, vor allem seine Christozentrik: ohne Jesus wüssten wir nicht, wer Gott ist, wir wüssten auch nicht, wer wir selber sind.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Die neuen Perspektiven beim Bedenken unseres christlichen Glauben sind die uralten, die bisweilen im heutigen theologischen Diskurs nicht mehr vorkommen: nämlich der Blick auf das Zentrum dieses Glaubens, auf den "Sprung Gottes in unsere Welt", der uns ermöglicht, den letzten nötigen "Sprung" aus der Verlorenheit in "die ausgebreiteten Arme des Erlösers" zu tun.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Die gegenwärtigen Debatten sind wichtig und notwendig. Doch sollte darüber das Wesentliche nicht vergessen werden, worauf uns Pascal und diejenigen, die über ihn nachdachten, hinweisen: Christsein bedeutet auch heute noch zuerst, sich einlassen auf Jesus, den Christus, auch auf seine bis heute fortdauernde Agonie. Der am Kreuz verborgene, von Gott verlassene Gott hat uns in seiner Schwachheit "erlöst". Das steht gegen jeden Triumphalismus, gegen jede Überheblichkeit, gegen jedes Pochen auf Macht, auch wenn es von "Autoritäten" kommt.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit Kurt Flasch.

5. Ihr Buch in einem Satz:

Es macht – wie mir jemand schrieb – "wissenschaftliche und spirituelle Landschaften" deutlich, die je auf ihre Weise Pascal aufgenommen haben und regt zugleich zur Stellungnahme und zur Verinnerlichung des Gelesenen an.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Pascal, Pensées
Goethe: Faust
Reinhold Schneider: Winter in Wien
Antonio Fogazzaro: Il Santo
Konrad Weiß (1880-1940): Gedichte

7. "Über die Philosophie spotten, das heißt wahrhaft philosophieren", sagt Pascal. Dennoch haben Philosophen - Nietzsche, Scheler, Heidegger, um nur wenige zu nenne - von ihm gelernt. Pascal spottet auch über Theologen, etwa in den "Lettres Provinciales". Können die auch von seinem Spott noch lernen?

In Pascals„Lettres Provinciales“ geht es zwar inhaltlich um den Primat der Gnade, im Vordergrund seines Spottes aber steht die Überheblichkeit "jesuitischer" Theologen. Pascal schreibt: "Sie haben eine so hohe Meinung von sich selber, dass sie es für das Wohl der Religion als nützlich und geradezu als unerlässlich ansehen, dass sich ihr Einfluss überallhin erstreckt". Dieses Verlangen aber, so Pascal, bringt sie dazu, Dinge zu behaupten, die sie lächerlich machen. Doch mit ihren Spitzfindigkeiten gehen sie genau an dem vorbei, was ihre Aufgabe als Theologen sein soll. Und damit sind wir wieder bei der inhaltlichen Auseinandersetzung zwischen Pascal und den "jesuitischen" Theologen: Pascal möchte in Erinnerung bringen, dass die Gnade, das heisst "der Sprung Gottes in unsere Welt und Zeit in Jesus, dem Christus" Gegenstand der Theologie sein soll. Und das gilt auch heute noch: Aufgabe des Theologen ist es nicht, große wissenschaftliche und philosophische Gebäude zu errichten, seine Aufgabe ist es, als demütiger "pauvre déchiffreur", wie Loisy sagt, zu versuchen, das unfassbare Geheimnis der Offenbarung für die jeweilige Zeit fassbar zu machen. Das, meine ich, können die Theologen vom Spott Pascals lernen.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)