"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
9. Folge: 7 Fragen an Christoph Markschies

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die Fragen des neunten MFThK-Kurzinterviews beantwortet der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies, der gerade eine Studie über Sinn und Unsinn der historischen Deutungskategorie "Hellenisierung des Christentums" vorgelegt hat.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Weil etwas Neues drinsteht. Ein Vorschlag, wie man eine missverständliche und problematische Kategorie, die für die Darstellung der Geschichte des Christentums seit vielen Jahrzehnten verwendet wird, präziser verwenden kann. Und eine Geschichte der Begriffsverwendung, die nicht nur Missverständnisse und Probleme darstellt, sondern auf diesen Vorschlag hinführt.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Die Perspektive, den Prozess der Transformation des Christentums nach seinen Anfängen in Galiläa und Jerusalem unter den Bedingungen einer globalisierten antiken Welt historiographisch präziser und ohne ein gleich mit gesetztes Wertungsimplikat zu beschreiben (im Sinne der klassischen Wertungen: "Abfall vom einzig wahren Urchristentum" versus "vom heiligen Geist geleitete Inkulturation der Kirche in der Welt").

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Weil die Frage nach der "Hellenisierung des Christentums" ein Schlüsselthema des gegenwärtigen Papstes Benedikt XVI. schon in seinen Zeiten als Professor war und beispielsweise auch in der Regensburger Rede von 2006 öffentlichkeitswirksam aufgegriffen wurde (dazu finden sich Abschnitte im Buch), ist das Thema durchaus nicht nur für die Fachöffentlichkeit von Interesse.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit dem Papst natürlich. Gerade auch als evangelischer Christenmensch.

5. Ihr Buch in einem Satz:

Wenn man unter "Hellenisierung" nicht allgemein die Transformation einer in einer abgelegenen Provinz entstandenen jüdischen Glaubensweise in eine reichsweite Religion im globalisierten Imperium Romanum versteht, sondern ganz präzise den Prozess der Begegnung von hellenistischer Bildungskultur und christlicher Theologie bzw. kirchlicher Institutionen samt dadurch ausgelöster Transformation der Religion, kann eine höchst missverständliche, aber unausrottbare historische Deutungskategorie doch noch sinnvoll verwendet werden.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Die Bibel beider Testamente, wenn möglich in Luthers Ausgabe letzter Hand
Gottfried Benns Gedichte, wenn ich verzweifle
Goethes Gedichte, wenn mir heiter zu Mute ist
Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, muss ich mal wieder lesen
Ein großes französisches Lexikon, damit ich den Proust im Original mitnehmen kann und endlich mal besser französisch lerne

7. "Das Christentum ist die in Jesus Christus vermittelte Synthese zwischen dem Glauben Israels und dem griechischen Geist". Nehmen Sie Stellung zu dieser Aussage.

Im Prinzip ja. Duale vereinfachen immer. Denn natürlich gab es - beispielsweise in den Weisheitsbüchern der hebräischen Bibel oder in der Septuaginta - längst eine Synthese zwischen Glaubensvorstellungen Israels und dem, was griechische Kultur und Denken prägte. Durch Person, Wort und Werk Jesu wurden aber neue Synthesen möglich, beispielsweise in Gestalt der großen spätantiken theologischen Entwürfe, der reichskirchlichen Liturgie oder der kirchlichen Lebensordnungen. Diese Fähigkeit zur Synthese prägt die Gestalt des Christentums natürlich auch in späteren Jahrhunderten, man denke nur an die unterschiedlichen Versuche eines aggiornamento der katholischen Kirche wie Theologie in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Gleichzeitig muss man aber immer auch sagen, dass Person, Wort und Werk Jesu zugleich ein Widerstandspotential gegen allzu weitgehende Synthesen freisetzen - das galt im Blick auf bestimmte Züge griechisch-römischer Kultur und griechisch-römischen Denkens in der Antike (ich denke beispielsweise die verbreitete Aussetzung von weiblichen Erstgeborenen) ebenso wie es heute im Blick auf bestimmte Züge ökonomisch dominierter Zweckrationalität in der globalisierten Welt gilt.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)