"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
56. Folge: 7 Fragen an Matthias Ruf
anlässlich des Erscheinens seines Buches

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb 2012 die Rubrik "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview gestartet.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind stets dieselben, nur die siebte und letzte Frage ist eine individuelle Frage.
Die Fragen der 56. Folge beantwortet der Tübinger Theologe Matthias Ruf zu seiner Frankfurter Promotionsschrift "Handeln Gottes". Zur Hermeneutik theologischer Rede von Gott.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Schon deswegen, da ich es brauchte! Ich wollte mir als Theologe und Christ unbedingt in einer Sache weiter Klarheit verschaffen: nämlich, was damit (verantwortlicherweise) gemeint sein kann, wenn von Gottes Handeln die Rede ist. Die hier abgesteckten Verständniskorridore justieren die Interpretationen von nahezu allen zentralen theologischen Themen sowie von gottesdienstlichen Vollzügen. Einige der etablierten Verständnisweisen von "Gott handelt" sind aber genauer besehen kaum tragfähig. Insofern wollte ich mich nicht nur selbst orientieren, sondern auch einen Beitrag für die notgedrungen andauernden Verständnisbemühungen in der Theologie und Kirche beisteuern.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Um herauszuarbeiten, was theologischerseits mit der Rede von Gottes Handeln gemeint wird, habe ich zentrale Distinktionen aus der linguistischen Pragmatik und Sprachphilosophie vor allem seit Mitte des 20. Jahrhunderts aufgenommen. Das wurde gewiss schon verschiedentlich so gemacht, etwa in der Deutung Thomas von Aquins. Ich habe das nun allerdings auch auf die protestantischen "Klassiker" oder zeitgenössische Entwürfe ausgeweitet. Die dabei herausgearbeiteten Verständnistypen bilde ich über Modelle ab, über die Schlüsselentwürfe nicht nur erfasst, sondern möglichst auch ohne Verzerrung verglichen und ins Gespräch miteinander gebracht werden können (von den Modellen aus lässt sich auch im Lehrkontext trefflich eine Schneise durch den Dschungel Systematischer Theologie schlagen).
Ins Auge fallen dürften abgesehen davon auch Passagen, in denen ich unter anderem zeige, dass (vermeintlich) nichtwörtliche Verständnisweisen von Gott handelt zwar hermeneutisch raffiniert sein mögen, oft aber entweder (entgegen von Selbstverortungen und wegen Missverständnissen linguistischer Kategorien) überhaupt nicht unter die Kategorie "nichtwörtlich" fallen oder unverständlich sind. Mit Letzterem möchte ich auf das Problem aufmerksam machen, dass oft rätselhaft bleibt, wie man als Hörer vom Gesagten (beispielsweise "Gott ist der Schöpfer") zum theologisch (vermeintlich allein verantwortbaren) Gemeinten kommen kann.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Die elementare Bedeutung und die Brisanz des Themas für Kirche und Theologie mögen oben schon in Konturen erkennbar geworden sein. Die hier bestehenden Paradigmenkonflikte sind zuletzt nach meiner Wahrnehmung besonders in der katholischen Theologie intensiv ausgetragen worden (wobei das Label "analytisch vs. kontinental" sicher unglücklich ist). Die Auseinandersetzung mit den Sachfragen hat aber auch im evangelischen Kontext in den letzten Jahren Konjunktur bekommen. Ein nicht unerheblicher Teil der Hauptstimmen scheint mir hier zu behaupten, dass das Christentum "mehr zu sich komme" (U. Barth), wenn es (im Falle des in der Rede von Gott Gemeinten) den Bezug auf einen personal gedachten Gott möglichst ausklammere oder ersetze. In meinen Augen ist das Gegenteil der Fall. Mir geht es aber nicht bloß darum, eine alternative Stimme einzubringen. Vielmehr möchte ich auch zeigen, dass sich die verschiedenen Debattenstränge zum Thema durchaus etwas zu sagen haben und über Modelle entscheidende Weichenstellungen in Schlüsselfragen zugänglich werden.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit Blick auf die Sachfragen zuerst mit Wolfhart Pannenberg und Thomas von Aquin, auch wenn ich hier hauptsächlich nur lauschen wollte. Dann aber vor allem mit solchen zeitgenössischen Theolog:innen und Studierenden, die in der Sache mit Gründen anders votieren: Ihre Beweggründe und Alternativen sowie ihre Vorstellungen, wie ein lebenstaugliches Christentum dabei aussehen könnte, würde ich gerne besser verstehen.

5. Ihr Buch in einem Satz:

Nicht nur die religiöse Rede, sondern auch verantwortliche und verständliche theologische Rede von Gott hat ihren Glutkern in der wörtlich verstandenen Rede vom Handeln Gottes in der Geschichte.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Im Falle eines überschaubaren Aufenthaltes würde ich Texte von Kierkegaard und Luther nehmen sowie ein Kochbuch für den leckeren Inseleintopf. Im Falle eines Daueraufenthaltes und in der Hoffnung auf Trost würde ich nur eine Bibel wählen und dazu noch Papier für die Plastikflaschenpost. Darin würde ich meinen Kindern schreiben, was ich toll an ihnen fand, meine Frau umarmen und meinen Eltern und Freunden gegenüber Dankbarkeit ausdrücken!

7. Die siebte und letzte Frage stammt vom katholischen Theologen Martin Breul: 7. In der gegenwärtigen Debatte um das Handeln Gottes wird immer wieder die Frage nach der Notwendigkeit eines sogenannten 'causal joint', also eines kausalen Bezugspunkts für das besondere Handeln Gottes in der Welt gestellt. Würden Sie sagen, dass das von Ihnen verteidigte 'wörtliche' Verständnis des Handelns Gottes darauf festgelegt ist, einen solchen kausalen Bezugspunkt zu identifizieren? Oder kann man an einem wörtlichen Verständnis des Handelns Gottes festhalten, ohne zugleich einen kausalen Bezugspunkt suchen zu müssen?

Die Auffassung, zumindest manchmal die Rede vom Handeln Gottes wörtlich zu verstehen, kann sehr unterschiedlich entfaltet werden und verpflichtet nicht notwendigerweise darauf, ein Kausalverhältnis zwischen Gott und Welt entweder zu unterstellen oder gegebenenfalls genauer beschreiben zu müssen. Wo entsprechende Fragen grundsätzlich zurückgewiesen werden, insistiert man beispielsweise gerne darauf, dass Beschreibungen von Handlungen über den Verweis auf Gründe erfolgen und Angaben zu Kausalverhältnissen davon unterschieden sind. Das Thema der Kausalität auf diese Weise prinzipiell auszuklammern – eine theologischerseits oft gewählte Option –, finde ich allerdings aus handlungstheoretischen Gründen eher unplausibel. Die aufgeworfene Frage stellt sich also mit Recht. Dennoch würde ich zurückhaltend sein, was genauere Beschreibungen eines kausalen Gott-Welt-Verhältnisses angeht. Insgesamt scheint mir die Theologie zuallererst auf die Behauptung verpflichtet zu sein, dass Gott in der Geschichte handelt. Diese Auffassung kann man auch dadurch versuchen zu stützen, dass man grundsätzliche Einwände dagegen bearbeitet (etwa solche naturalistischer Art). Aber das ist schon eine nachgeordnete, wenn auch wichtige Aufgabe. Besonders dort, wo letzteres gelingt, kann man sich bei einer Auskunft zum "wie" eines Handelns Gottes noch weiter zurückhalten – zumindest in manchen Fragen: Möglicherweise könnten etwa die Dispositionstheorie der Kausalität oder quantenmechanische Überlegungen konstruktiv für Deutungen eines Handelns Gottes herangezogen werden. Aber abgesehen von berechtigten theologischen Vorbehalten wäre allein schon die Leistungskraft solcher Erklärung begrenzt. Dies wäre aber noch kein gewichtiges Problem: hier könnte man in Fragen eines "wies" entspannt auf bessere Erklärungsansätze warten oder das Thema grundsätzlich offenlassen. Drängender (auch aus einer evangelischen Perspektive; außerdem nicht notwendig mit dem vorherigen Zusammenhang verbunden) dürfte die Frage sein, wie man sich eine "gemeinsame Täterschaft" von Gott und Mensch vorstellen könnte, bei der die Freiheit des Menschen gewahrt wird. Mit Blick darauf hoffe ich auch noch von Ihrem Buch, lieber Martin Breul, Anregungen zu gewinnen!


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)