Der erste Roman von Thees Uhlmann:
Sophia, der Tod und ich

Ich erinnerte mich daran, wie einmal Zeugen Jehovas an meiner Tür geklingelt hatten. Sie waren zu dritt und unter achtundzwanzig und waren ungeschminkt und gutaussehend und weiblich.
Die: "Guten Tag. Wir gehen durch die Nachbarschaft und suchen Menschen, die an Gott glauben."
Ich: "An welchen?"
Die: "Naja, an Jesus und an Gott!"
Die Einschränkung war relativ wichtig, wegen der Tatsache, dass ich in einer Gegend wohnte, in der die Menschen entweder an Allah glaubten oder gar nicht glaubten, weil sie nach 1971 geboren worden waren.
Die Frauen vor meiner Tür sahen irgendwie scharf aus beim Religiössein.
Ich: "Na ja, ich glaube nicht so richtig an Gott!"
Die: "Schade!"
Ich: "Ja, finde ich auch!"
Die: "Warum nicht?"
Ich: "Ich hab an Gott geglaubt nach meiner Konfirmation. Bekam ein Klassenkamerad von mir Krebs. Hab ich gebetet, dass er überlebt. Ist er gestorben. Hab ich nicht mehr geglaubt."
Die: "Die, die Gott liebt, nimmt er als Erstes zu sich."
Ich: "Dann liebt Gott die Sahelzone ja mal so richtig!"
Die: "Lesen Sie die Bibel?"
Ich: "Nur die brutalen Stellen und die Verwandtschaftsverhältnisse im Alten Testament. Zu welcher Kirche gehört ihr eigentlich?"
Die: "Zu den Zeugen Jehovas."
Ich: "Krass, ihr seid die?"
Die: "Ja."
Ich: "Find ich gut, dass ihr hier durch die Gegend geht. Anstrengend für euch, oder?"
Die: "Ja."
Ich: "Ich bin leider nicht der richtige Ansprechpartner für euch, aber echt alles Gute. So hugenottisch gemeint. Gott liebt die, die den harten Acker pflügen."
Die: "Wollen Sie uns verarschen?"
Ich: "Ich meine das ernst. Wenn selbst die Zeugen Jehovas an Ironie glauben, dann geht es wirklich mit der Welt zu Ende. Darf ich dann mit euch mit?"
Die: "Beten Sie denn ab und zu?"
Ich: "Nur wegen Fußball!"
Die: "Ich glaube, das reicht nicht."

"Wie kann man Musik hassen? Musik ist das Telefon Gottes, mit dem er uns anruft um zu sagen, dass er an uns denkt."

Sie: "Sprich wahr über dich und du bist in der Nähe Gottes."
Ich: "Kannst du nicht einmal diesen Hugenottenquatsch lassen?"
Sie: "Wenn du noch weiter schlecht über Gott sprichst, kannst du das gleich vergessen. Wie du's mit Gott hältst, ist deine Sache, aber vor mir wird so was nicht gesagt. Damit das klar ist."
Ich: "Joahhh, Entschuldigung."
Sie: "Man kann sich nicht entschuldigen. Man kann nur um Entschuldigung bitten. Das macht das Verb ja so göttlich. Ja, ich entschuldige dich."


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)