All-Time Greatest Bob Dylan-Songs,
howmanieth version

Von Knut Wenzel, Frankfurt a. M.

Diese Liste sollte nicht als Rangfolge verstanden werden, sondern als Stationenverzeichnis einer Pilgerfahrt. Es ist die Eigenart von Pilgerfahrten, keine der Stationen wirklich hinter sich zurückzulassen: Sie werden nicht absolviert, sondern eingesammelt, aufgespeichert. Sie sind nicht kongruent, ergeben keine Linie der Eindeutigkeit, vielmehr ein Feld der Wege, Abwege, Umwege, Irrwege. Bob Dylans Spiritualität speist sich aus der Suche, nicht aus der Gewissheit einer besessenen Wahrheit.

1) Ain’t Talkin‘ (vom Album Modern Times, 2006)

Anm. des Webmasters: Gelegentlich kann es dazu kommen, dass die Musik-Clips nicht störungsfrei laufen.
Dann hilft vielleicht das Warten auf bessere Übertragungszeiten
oder das Suchen eines besseren Clips im WWW.

Die Reise beginnt – mit der Vertreibung aus dem Paradies: Durch einen Akt der Gewalt wird einer aus dem mystic garden herauskatapultiert und so zum Streuner-Pilger gemacht. Herumirrend durch eine Welt unter dem Vorzeichen der Gewalt, kann er die Erinnerung an das Paradies nur bewahren, indem er zugleich anhaltend schweigt und immer weiter geht – nur sein Herz brennt und hört nicht auf, sich zu sehnen. Das verlorene Paradies: ist auch eine verlorene Liebe, oder eine nie gewesene Liebe, von der er doch irgendwie weiß und deren Leitstern seine Streunerei zur Pilgerfahrt werden lässt.

2) If Dogs Run Free (vom Album New Morning, 1970)

Die Zeit – ein Sumpf, in dem zu versinken wir drohen. Was uns herausreißt: Hier, in Dylans einzigem veritablen Jazz-Song, ist es die Poesie, der unendliche Text, die unendliche Symphonie der Bedeutungen (wir hören Novalis und Eichendorff), die durch unseren Geist sich weben, worauf wir uns erfüllt und frei bewegen können: Denn wenn schon Hunde laufen frei, warum nicht auch wir?

3) Mr. Tambourine Man (vom Album Bringing It All Back Home, 1965)

Einer Nacht des Grauens entronnen (über die das Lied kein Wort verliert, zwischen den Zeilen schimmert sie in dunklem Glanz), Cold Turkey in den Gliedern, stößt einer in frostiger Morgendämmerung auf die enigmatische Figur des Tambourine Man: Gaukler und Guide, Trickster und Erlöser. Der das gesamte Lied hindurch nichts tut, kein Sterbenswort verliert. Und so den Drifter zu einer Reise bis an die Grenze provoziert. Mr. Tambourine Man: Kein Drogensong, sondern Seelenreise, Pilgerfahrt durch innere Traum- und Albtraumlandschaften, Bob Dylan als Dante im Inferno des Pop, und der Tambourine Man als sein schweigender Vergil.

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