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Zum 150. Geburtstag von Alice Salomon

Ein Auszug aus ihrem Vortrag "Das Verhältnis der Kirche zu den Sozialarbeitern" (1923):
Als Sozialarbeiter sind wir einig in dem Glauben, dass die Welt nicht erlöst werden kann, dass sie nicht befreit werden kann von all ihrer gegenwärtigen Not, bis das Ideal der Solidarität von allen angenommen ist, bis die Starken darauf verzichten, bis zur Spitze einer Leiter zu steigen, deren Sprossen aus denen gemacht sind, die sie während ihres Aufsteigens niedergetreten haben; bis die Starken willens sein werden, die Lasten für die Schwachen zu tragen. Es gibt in Wahrheit keinen Segen, den einer von uns sein eigen nennen kann, solange nicht alle anderen daran teilhaben. Wirklich, niemand von uns ist sicher, solange nicht alle sicher sind. Es gibt keine Armut, keine Not, nicht einmal eine Krankheit, die nicht sich selbst an denen rächt, die davor zurückschrecken ihr abzuhelfen.
Carlyle hat uns in einem seiner Bücher die Geschichte einer irischen Witwe erzählt, die mit ihren Kindern in Schottland in der größten Armut lebte. Er berichtete, wie sie zu ihren Nachbarn und zu allen möglichen Stellen ging und um Hilfe bat. 'Ich bin Eure Schwester, ihr müßt mir helfen', sagte sie. Aber sie wiesen sie ab, weil sie eine Fremde war. Alle ihre Gesuche blieben ohne Ergebnis. Sie wiesen ihre Schwesternschaft zurück, aber sie erwies sich am Ende doch als ihre Schwester. Sie bekam ein typhöses Fieber und viele Menschen in der Nachbarschaft bekamen es von ihr und 17 von ihnen starben. 'Sie war ihre Schwester; sie konnten sich dem nicht entziehen'. Sicher beweist dies, dass niemand sicher ist, solange nicht alle sicher sind. Der Dienst an den Schwachen und Beladenen, für den geringsten unter unseren Brüdern, ist nicht ein sentimentales Ideal, sondern ein Gesetz des Lebens, von dem letzten Endes sogar die Selbsterhaltung abhängt.
Es war die Religion, die zuerst der Menschheit die wundervolle Weisheit gab, die diese grundlegende Wahrheit ausdrückte, dieses Gesetz des Lebens, lange bevor es die Wissenschaft entdeckte.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)