Zum Tod von Brian Wilson
Wenn Brian Wilson in Interviews nach dem Album "Pet Sounds" von 1966 gefragt wurde, betonte er häufig dessen spirituelle Dimension. "Carl und ich gingen ins Gebet", erzählte er David Leaf. "Wir beteten gemeinsam und baten um Licht und Führung für das Album. Es war fast wie eine religiöse Zeremonie." Brian hatte das Gefühl, tief in seine Seele zu greifen, um Musik von zeitloser Qualität zu schaffen – Musik, die eine zutiefst persönliche Botschaft trug und zugleich etwas Universelles ausdrückte. Er wollte eine Form von Liebe vermitteln, die er selbst als einzigartig empfand und die er durch Musik zum Ausdruck bringen konnte. "Gott gibt dir das", sagte er 1988. "Es ist wie ein Geschenk. Er schenkt dir die Fähigkeit, etwas zu empfinden – dieses umfassende Gefühl, weißt du? Und wenn du dieses Gefühl dann in Musik verwandelst, das ist der kreative Prozess." Oder einfacher ausgedrückt: "Ich glaube, Musik ist Gottes Stimme."
Diese Spiritualität erreicht ihren Höhepunkt im Eröffnungssong der zweiten LP-Seite: "God Only Knows". Vielleicht liegt es an der engelsgleichen Sanftheit von Carls Leadstimme (seinem einzigen Solo auf dem Album); vielleicht an der feierlich-elegischen Stimmung des instrumentalen Hintergrunds; oder an der kontrapunktischen Struktur des Gesangs, die an sakrale Werke von Bach oder Händel erinnert. Der Song bildet das emotionale und geistige Zentrum von "Pet Sounds" – die Essenz von Brians musikalischem Idealbild. Dass es ihm gelang, eine solch anmutige Melodie zu schreiben, die sich nahtlos mit Tony Ashers Text verbindet, und dass er seine Ideen in einem so einfallsreichen und klangvollen Arrangement umsetzen konnte, zeugt von einer kreativen Reife, die er in den viereinhalb Jahren seit "Surfin'" erreicht hatte. "God Only Knows" ist ein Wendepunkt in seiner künstlerischen Entwicklung – ein Lied für die Ewigkeit.
Zur Entstehungsgeschichte sagte Brian: "Tony und ich hatten diese Vision. Es ist, als wäre man blind – aber gerade in der Blindheit sieht man mehr. Man schließt die Augen und beginnt, Orte oder Ereignisse wahrzunehmen." Ob sie den gleichnamigen Song der Doo-Wop-Gruppe The Capris von 1954 kannten, der später von den Crystals neu aufgenommen wurde, ist unklar. In jenem Lied gesteht der Sänger seiner Geliebten, dass nur Gott die Tiefe ihrer Gefühle erkennen könne. Er fürchtet um ihre Beziehung und fragt sich, was sie tun würde, wenn sie zerbräche. Brian und Tony griffen dieses Motiv auf, gingen aber einen Schritt weiter: Wenn "nur Gott weiß, was ich ohne dich wäre", dann steckt in dieser Aussage eine existentielle Tiefe – eine Komplexität, die jenseits menschlichen Begreifens liegt.
(Quelle: Philip Lambert, Inside the music of Brian Wilson. The sights, sounds, and influences of the Beach Boys' founding genius. New York/London 2007. S. 244)
Brian Wilson bezeichnete den Song "Love and Mercy" von seinem ersten Solo-Album als "probably the most spiritual song I've ever written". Darin beschreibt er eine von Angst, Gewalt, Einsamkeit und Ungerechtigkeit geprägte Welt und stellt ihr den Wunsch nach Liebe und Barmherzigkeit entgegen, womit er zwei zentrale Begriffe des Christentums aufgreift.
Der von Brian Wilson geschriebene Song "'Til I die" (1971) bringt von allen Liedern der "Beach Boys" die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen am stärksten zum Ausdruck. In eindringlichen Metaphern beschreibt er einen Menschen, der sich orientierungslos und der Welt völlig ausgeliefert fühlt. Die Zeile "I'm a leaf on a windy day" erinnert an das Motiv des verwehten Blattes in der Bibel (Jesaja 64,5; Hiob 13,25), während die Frage "How deep is the valley?" Assoziationen an Psalm 23,4 weckt. An der verzweifelten Lage des Menschen ändert sich in Wilsons Song bis zum Tod nichts. Der Song wirkt wie ein Klagepsalm – allerdings ohne Gott.
Ein unveröffentlichter Demo-Titel, den Brian Wilson in den frühen 1980er Jahren aufnahm und der nur auf Bootlegs bekannt wurde, ist "Oh Lord". Der Song wirkt wie ein Gebet nach Liebe ("Give me love"), Licht ("Give me light") und Schutz ("Make me safe from everything").
Was ist ein Wunder? Diese Frage wird in der Popmusik immer wieder gestellt. Brian Wilsons Song "Must be a Miracle" gibt eine konkrete Antwort: Ein Wunder ist ein neugeborenes Kind, eine schöne Frau oder ein Naturereignis wie eine Sternschnuppe oder die "Reise" des Mondes über den Himmel. Im Gegensatz zu vielen anderen Popsongs, die sich mit Wundern beschäftigen, wird in Wilsons Lied Gott ausdrücklich als ihr Urheber genannt: "They don't happen every day, God doesn't make them that way."
Die Zeile "There's never enough time for the ones that you love" aus Brian Wilsons Song "The Last Song" bringt den Konflikt zwischen Liebe und Vergänglichkeit zum Ausdruck. Anders als viele Popsongs, die ewige Liebe versprechen, artikuliert sie das Bewusstsein, dass jede Liebe an eine unüberwindbare Grenze stößt – die des Todes.
Brian Wilsons Song "Make a Wish" entwirft die Vision einer Welt, in der Menschen in Frieden und Gleichheit miteinander leben – einer Welt, in der Liebe den Hass und die Angst ersetzt ("violence disappear, love replaces hate and fear"). Es ist eine Welt ohne Mauern, die trennen, ohne Gesetze, die ausgrenzen, ohne Hunger und Obdachlosigkeit, ohne unheilbare Krankheiten, ohne Abholzung und Umweltverschmutzung. Eine Welt, die frei ist von Rassismus, Bigotterie und Gewalt. Könnte dies nicht als popkulturelle Vision vom Reich Gottes verstanden werden?