"3 Fragen an ..." – Das MFThK-3-Fragen-Interview
Drei Fragen an Prof. Dr. Johannes Burkhardt (Univ. Augsburg)
anlässlich des 400. Jahrestages des Beginns des Dreißigjährigen Krieges

Sie behaupten, der Dreißigjährige Krieg sei kein Religionskrieg gewesen. Wie begründen Sie diese Auffassung?

Wir sind auf die Macht der Bilder hereingefallen, die doch Propaganda und Satire waren. Der Dreißigjährige Krieg war der erste Medienkrieg und vom ersten hundertjährigen Reformationsjubiläum, just im Jahre 1617, bis zum Eingreifen des "gottgesandten Retters" Gustav Adolph hat die immer wieder nachgedruckte Bildpublizistik mit religionspolitischer Schlagseite die Wahrnehmung überformt. In Wirklichkeit stimmten die politischen und konfessionellen Lager nie auch nur annähernd überein – das führende evangelische Musterland Kursachsen kämpfte an der Seite des katholischen Kaisers und der Liga, das katholische Frankreich griff nicht nur selbst auf der konfessionell "falschen" Seite offen ein, sondern schickte von Anfang an verdeckt die protestantischen Gegner des katholischen Habsburgs vor ...
Die römisch-jesuitische Konfessionalisierung und die calvinistische Internationale waren fundamentalistische Störfaktoren von außen, und in besonderen Kriegsmomenten galt: Gelegenheit macht Religionskriege. Aber nicht darum wurde Krieg geführt, sondern es ging um etwas ganz anderes.
Der Dreißigjährige Krieg war ein Staatsbildungskrieg, der zwischen Universalmachtsansprüchen und Sezessionen ein schwer erkämpftes Nebeneinander von souveränen Staaten errichtete, in Deutschland aber sein föderales System aus gesamtstaatlicher und einzelstaatlicher Ebene aufrechterhalten und weiterentwickeln konnte. Mit nachgebesserten politisch-rechtlichen Regulierungen gelang es dem föderalen Staat auch, endgültig das Zusammenleben der dogmatisch noch immer intoleranten Konfessionen zu ermöglichen.

Welche Lehren sollten die Theologie und Kirchen der Gegenwart aus dem Dreißigjährigen Krieg ziehen?

Ein Hauptnebenkonflikt blieb die Religion natürlich auch im Dreißigjährigen Krieg durch die angeborene Intoleranz der frühneuzeitlichen Konfessionsbildung und den Streit um die Verteilung der Kirchengüter. Das ist heute kein Problem mehr, weltanschaulich seit der Aufklärung und Ökumene und schon zuvor durch die politisch-rechtlichen Bestimmungen des Westfälischen Friedens, die eine staatlich privilegierte, geregelte Sonderstellung der Kirchen bis heute begründet. Um ihre erprobte friedwirkende Kraft zu nutzen, sollte sie nicht laizistisch abgeschafft, sondern auf nichtchristliche Religionen ausgeweitet werden. Das ist das eine.
Eine noch wenig beachtetes Versagen der damaligen Theologie aller Konfessionen sehe ich darin, dass der Krieg damals als Strafgericht Gottes für die bußbedürftige Menschheit ausgelegt wurde. Eine Kriegskatastrophe, in der maßloses menschenunwürdiges Dauerelend über die Welt hereinbrach und gerade alle damals hochgehaltenen christlich-moralischen Werte durch den Krieg unterzugehen drohten, Gott in die Schuhe schieben? Warum wurde in einer Epoche, in der man sonst so freigiebig mit Satan und Dämonen umging, der Krieg nicht als "Teufelswerk" gebrandmarkt und seine Beseitigung zur Christenpflicht erklärt?
Wir haben es heute nicht mehr so mit dem Teufel, doch das im Dreißigjährigen Krieg vernachlässigte biblische Friedensgebot rückt ins Zentrum der Theologie und nunmehr nicht ohne konkrete politische Appelle und Warnungen der Kirchen. Gut so, und wenn für ihre Anhänger erkennbar wird, wem sie gelten, umso besser.

Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg wird in den Medien, wenn der Eindruck nicht täuscht, von Herfried Münkler dominiert. Wie erklärt sich das?

Es ist mir, wie auch anderen Kollegen, selbst ein Rätsel. Viele erinnert es an die Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern. Ja und nein. Münkler ist nun einmal der Medienking und als Politologe auch nicht unverdient. Nun zieht er auch noch historische Kleider an, und alle staunen. Nicht dass er in Wahrheit nichts anhätte. Nur was ist an diesen Kleidern neu? Wer etwas Neues erfahren will, sollte denn doch bei den Historikern vorbeischauen, die neue Quellen erschließen oder andere Perspektiven erproben. Der Autor einer "Neuen Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" zeigt, dass der "Krieg der Kriege" gerade wegen seiner Länge und Schwere eine einzigartige "Großbaustelle des Friedens" war, die uns heute noch mehr zu sagen hat.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)