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Der neue Roman von Axel Hacke

Vorstellung des Buches auf der Webseite des Verlags

Ludwig war Käferforscher. Das war nicht sein Beruf, aber die Käfer waren das, was er liebte. Seine Käfersammlung umfasste einige Tausend Käfer aus Südamerika, Afrika, Sibirien, dem Nahen Osten, alle selbst gejagt, präpariert, auf kleine Nadeln gespießt und in Sammlerkästen untergebracht.
Es gab einmal, sagte Ludwig nach ein paar Stunden, in denen wir schließlich zwei Flaschen Wein getrunken hatten, es gab einmal, sagte er also, einen Mann namens John Burdon Sanderson Haldane (oder sagte er, ein wenig schon lallend, Burton Halderson Johnson Sander?), es gab den Mann also, sprach Ludwig angestrengt und sorgfältig seine vom Wein beschwerte Zunge führend. Es war ihm wichtig, was er zu sagen hatte.
Haldane, sprach Ludwig, war ein Naturforscher, der sich mit allem Möglichen beschäftigt hatte, auch mit dem Weltall und den Sternen – und ihn, diesen Mann also fragte man am Ende seines Lebens, was er beim Studium der Natur gelernt habe.
Und weißt du, weissdu, was er antwortete?
Nö, sagte ich knapp.
Gott habe, so Ludwig, offenbar eine außerordentliche Zuneigung zu Käfern gehabt, sonst hätte er ja nicht so viele von ihnen gemacht. Und, fuhr Ludwig mit leichtem Zungenholpern fort, ein Freund Hal-, Hal-, Haldanes hat so was Ähnliches gesagt wie: wenn man dereinst dem Allmächtigen begegne, müsse man damit rechnen, dass er mehr einem Käfer ähnele als dem Erzbischof von Canterbury.
Und nun siehst du, siessdu, sagte Ludwig: Das ist es, was ich hier tue mit meinen nun schon einundneunzig Jahren, indem ich jeden Tag alle diese kleinen und großen, kugelrunden und länglichen, flugfähigen und nicht flugfähigen Tierchen betrachte, sie katalogisiere und ordne und mich manchmal auch einfach nur an ihnen freue und mich daran erinnere, wo ich sie mal gefunden habe, das tue ich: Ich bereite mich auf das Zusammentreffen mit meinem Schöpfer vor.
"Du glaubst an einen Schöpfer?", fragte ich.
"Warum nicht?"
"Ich hatte dich eher für einen Buddhisten oder so etwas gehalten."
"Nimm's nicht so genau", sagte er. "Je älter ich werde, desto kindlicher werden meine Gedanken in dieser Richtung. Irgendjemand muss diese ganzen Ideen gehabt haben, und den stelle ich mir eben vor. Ich habe schon an alles Mögliche geglaubt, aber letzten Endes können wir doch gar nicht anders, als uns einen Schöpfer vorzustellen. So ist das eben."


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)