Der Katholizismus außerhalb Bayerns stimmte am 26. April 1925 mehrheitlich gegen den Ostpreußen Hindenburg und für den Rheinländer Marx
Der 100. Jahrestag der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten könnte Anlass sein, an die republikanische und demokratische Tradition des deutschen Katholizismus zu erinnern.
Zum Beispiel an Zentrumspolitiker wie
Wilhelm Marx.
Eine Karikatur aus einer katholischen Tageszeitung von 1925
"Pro Hindenburg" ist hoffnungslose Verblendung und Verbohrtheit
Die "Kölnische Volkszeitung", eine der bedeutendsten katholischen Zeitungen der deutschen Geschichte, schrieb am 11. April 1925, etwa zwei Wochen vor der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten:
"Hindenburg ist sein ganzes Leben nur Soldat gewesen. Er ist der typische Vertreter der ihrem Berufe ganz und einseitig ergebenen preußischen Offiziere, die aus Grundsatz und Erziehung heraus sich nie mit Politik beschäftigten und gut dabei fuhren. ... Alle politisch Einsichtigen sind verpflichtet, auf die große Gefahr hinzuweisen, daß dieser zur Güte und zum Nachgeben geneigte, der Ruhe bedürftige Greis durch seine Umgebung hermetisch gegenüber den Stimmungen der breiten Schichten des Volkes abgeschlossen und wider Willen eines Tages der Gefangene einer machtlüsternen, durch den Unsinn eines Kapp- und Hitlerputsches heillos kompromittierten Versammlung von - vorsichtig ausgedrückt - politischen Romantikern werden könnte ..."
Albert Lauscher, katholischer Priester und Professor für Moraltheologie an der Universität Bonn, sagte im April 1925 auf dem Parteitag der Rheinischen Zentrumspartei in Köln:
Die Aufstellung eines "Generalfeldmarschalls aus dem großen Kriege" für die Reichspräsidentenwahl "ist hoffnungslose Verblendung und Verbohrtheit der Kreise, die im alten Deutschland die Führung besaßen und sie im neuen wieder an sich reißen möchten."
Die das Volk in größter Not im Stiche ließen
Der katholische Gewerkschafter Johannes Giesberts, der erste deutsche Postminister, schrieb anlässlich der Kandidatur Hindenburgs zum Reichspräsidenten:
"Das deutsche Volk geht einen harten Leidensweg. Nach dem Golgotha des Krieges hat es seine Auferstehung noch nicht gefunden. Wirtschaftlicher, politischer, moralischer Zusammenbruch war das Ende des Weltkrieges. Die Herrscher verschwanden, ohne daß ihnen ein Haar gekrümmt wurde. Die Hurra-Patrioten verkrochen sich ängstlich und ließen die Wasser des Umsturzes sich schutzlos über das deutsche Land ergießen. Nach einem Jahr des Kampfes gelang es dem klaren und zielbewußten Streben des ersten Reichspräsidenten Ebert, die Wogen der Republik zu glätten und durch die Nationalversammlung neue Ordnung zu schaffen. Aber diese neue Ordnung war lose und schwach gefügt. Noch fieberte das deutsche Volk von den revolutionären Wirren und schwere, demütigende Aufgaben standen der Regierung des neuen Staates bevor. Es kam der furchtbare Tag von Versailles. Nur zwei Parteien, Zentrum und Sozialdemokratie, fanden den Mut - trotz der schweren politischen Gegensätze untereinander - zusammenzustehen und das Volk zu retten. Zwei Parteien ... retteten Deutschland vor dem Wiederaufleben des Krieges und bewahrten das Volk vor dem Haß und der Verwüstungssucht einer durch Siegesrausch wild gewordenen Soldateska. Sie haben Deutschlands Einheit gerettet und die Grundlage für eine neue Zukunft gelegt. Aber es war ein mühevoller, entsagungsreicher und bitterer Kampf, begleitet von dem glühenden Haß der Gegner und ihrer destruktiven Politik. Ihrem Haß fielen zwei der Besten zum Opfer, Erzberger und Rathenau. Erzberger, unser unvergeßlicher Freund mit seiner tief innerlichen, religiösen Gesinnung ... Aber sie wurden nicht umsonst geopfert, ihre Ideen und ihr Vorbild leben weiter in Hunderttausenden treuer Deutschen. Der Aufstieg unseres Volkes und unseres Landes geht langsam und sicher. Aber kaum haben wir das schlimmste überstanden, so möchten sie wieder, die anderen, Herrschgewohnten, die das Volk in größter Not im Stiche ließen, herrschen, wieder regieren, wieder die alte Klassenherrschaft und ihre Klassenvorteile aufrichten. Das ist der Kampf, den wir um die Präsidentschaft führen. Er wird geführt um die ruhige, stetige und vor allen Dingen friedliche Aufwärtsentwicklung des deutschen Volkes. Das andere ist der Bürgerkrieg, ist Unfreiheit und Versinken in neues, wirtschaftliches und soziales Elend. Und so finden sich wiederum die Parteien von Weimar zusammen, um Deutschland ein zweites Mal vor dem Verfall und der Zerrüttung zu bewahren. ..."
Hindenburg im Weltkrieg: Keinerlei Sachkenntnis, aber Diktaturgelüste
Unter der Überschrift "Der Mißbrauch eines Namens" schrieb die katholische Zeitung "Germania" in ihrer Morgenausgabe vom 9. April 1925, am Tag nach der Bekanntgabe der Kandidatur Hindenburgs:
"Hindenburg ist Militär und will es nur sein. Mit Politik hat er sich nie beschäftigt, er ist eine durchaus unpolitische Natur. Er selbst bestreitet das ebenso wenig wie seine Anhänger. Damit ist aber auch das Urteil über den Politiker Hindenburg gesprochen. Wie er das Opfer der Einflüsterung gerissener Parteipolitiker geworden ist, würde er auch als Reichspräsident der Spielball seiner Umgebung sein. Damit sind die Gefahren schon hinreißend umrissen, die ein Präsident Hindenburg im Gefolge haben muß. Nicht umsonst hat sich die Partei des Herrn Außenministers gegen die Aufstellung Hindenburgs gewehrt. Es verlautet, daß die deutsch-volksparteilichen Vertreter im Loebell-Ausschuß sich bei der Abstimmung enthalten haben. Den Mut, aus ihrer Überzeugung die Konsequenzen zu ziehen, hatten sie nicht. Der Parteiklüngel hat wieder einmal den gesunden Menschenverstand totgeschlagen. ... Im gesamten Ausland wird man die Kandidatur Hindenburg als ein Zeichen für den wiedererwachenden deutschen Militarismus auffassen. Das Mißtrauen, unter dem wir schon so viel gelitten haben, wird sich verstärken und einen schweren Schatten werfen auf die außenpolitischen Verhandlungen, die augenblicklich zwischen Deutschland und der Entente schweben. ..."
Auf derselben Seite lautete die Kritik in einem anderen Kommentar:
"Die Bedenken gegen Hindenburg liegen sowohl auf dem persönlichen wie auf inner- und außenpolitischem Gebiete. Aus allen Erwägungen heraus ist Hindenburg als Reichspräsident unmöglich, und deshalb muß seine Kandidatur bekämpft werden. Deutschland muß im Reichspräsidenten einen Mann frischer Tatkraft haben, nicht einen Greis, der der wohlverdienten Ruhe bedarf. Deutschland muß im Reichspräsidenten einen erfahrenen und gewandten Politiker haben, nicht einen Mann, dem die Politik Hekuba ist. Der Offizier hat in der Politik nie eine glückliche Rolle gespielt - die unglücklichste Rolle in der Politik hat die Oberste Heeresleitung im Weltkriege gespielt, der an Sachkenntnis alles, an Diktaturgelüsten allerdings nichts fehlte. Ihre Politik war die Politik der Niederlage - und wir wollen nichts, aber auch gar nichts, was uns noch mit dieser traurigen Epoche verbindet. Und wie soll man dem deutschen Wähler zumuten, seine Stimme einem Manne zu geben, in dem sich das System verkörpert, von dem die Mehrheit des deutschen Volkes nichts mehr wissen will und in dem das Ausland den typischen Feind sieht? ..."
"Pro Hindenburg" ist Verrat der katholischen Weltanschauung
Ein Mitglied der Landtagsfraktion der Bayerischen Volkspartei schrieb vor der Reichspräsidentenwahl 1925 an die katholische Zeitung "Germania":
"Die Bayerische Volkspartei hat ... beschlossen, die Kandidatur Hindenburg zu unterstützen. Dadurch ist die Kandidatur Hindenburg allererst ermöglicht worden. Das muß jetzt schon konstatiert werden; denn wahrscheinlich wird es hinterher niemand gewesen sein wollen, wenn die Sache schief geht. Und schief gehen wird es auf jeden Fall! Entweder fällt Hindenburg durch, was noch das kleinere Übel wäre, oder, was ein gnädiges Geschick ablenken möge, er wird Präsident. Daß dies ein Unglück für Deutschland wäre, sieht man allerdings in gewissen Kreisen nicht ein, die nicht über die weißblauen Pfähle hinausschauen können. In jedem Fall aber wird man die Bayerische Volkspartei verantwortlich machen!
... Es ist ein offenes Geheimnis, daß bei weitem nicht alle Mitglieder der Bayerischen Volkspartei für Hindenburg stimmen werden. ... In der Tat versteht man es einfach nicht mehr, wie die gemeinsame Weltanschauung so sehr vergessen werden kann, daß man lieber einen alten General, der politisch sich nie betätigt hat, bittet, die Kandidatur zu übernehmen, als daß man den Vorkämpfer für die Katholiken, Herrn Marx, die Stimmen gibt. Übelste Schlagwortpolitik muß die Begründung dieses unverständlichen Beschlusses geben. Man argumentiert ungefähr so: Wir Bayern sind eine Rechtspartei, wir dürfen nicht für Marx stimmen. Aus einer allgemeinen Rechtsstimmung heraus verrät man die gemeinsame Weltanschauung. 'Wir sind verraten und verkauft', das ist die Überzeugung, die viele, viele Katholiken in Bayern heute haben. Niemals wagen es die Führer der Bayerischen Volkspartei, einen scharfen Trennungsstrich nach rechts zu ziehen. ... Die Bayerische Volkspartei behauptet so gerne, die alte Zentrumstradition zu bewahren. Wie stimmt denn das mit dem ewigen Geschrei überein, die Bayerische Volkspartei sei eine Rechtspartei. Das alte Zentrum stand in der Mitte, Herr Heim! Wir sind verraten. Die ganze Welt schaut auf uns Bayern, schaut auf uns Katholiken, ob wir einig sind. Aus aller Welt kommen Stimmen, die die Erwartung aussprechen, daß die bayerischen Katholiken in dem historischen Moment der Reichspräsidentenwahl kleinliche Parteirücksichten zurückstellen werden. Doch nein! Herr Heim, der unglücklichste politische Führer Deutschlands, der Demagoge großen Stils, will es anders! Und siehe, bis auf wenige Männer beugen sich alle - in dem Landesausschuß! Das Volk allerdings will es anders!
Jetzt oder nie schlägt für das Zentrum in Bayern die Stunde. Jetzt kommt uns zur Hilfe, ihr Katholiken im Reiche. Sendet eure alten Führer nach Bayern, die aufklären, entfaltet eure Agitation. Helft, rettet, was noch zu retten ist. Es ist nicht wenig. ... Bedenkt, wie jetzt schon die Stimmen für das Zentrum gewachsen sind, ohne große Agitation. Wird erst einmal planmäßig Agitation betrieben, hört das katholische Volk Bayerns erst wieder einmal die hier so verleumdeten Führer des katholischen Deutschlands, dann wird Herr Heim seine blauen Wunder erleben. Dann wird Herr Heim auf seine Protektion des preußischen Generals, des Hohenzollernfreundes, von den echten, katholischen Bayern, die noch nicht eine Satrapie des preußischen Junkertums sein wollen, die noch an Wittelsbach festhalten, eine Antwort erhalten, die er wohl kaum mit einem seiner gewohnten Bauernscherze abtun kann."
"Mir bekommt der Krieg wie eine Badekur"
Ein "alter Seeoffizier" richtete am 10. April 1925 in der katholischen Zeitung "Germania" an Hindenburg die Frage: "Hat Hindenburg zur gleichen Zeit, als blühendes deutsches Leben an der Front verblutete, als die Heimat hungerte, in Kreuznach an seine Gäste Bilder gegeben mit der Unterschrift: 'mir bekommt der Krieg wie eine Badekur'?" Außerdem zweifelte der Autor die Ehrlichkeit Hindenburgs an: "Hat der Feldmarschall Hindenburg geduldet - wie es bei Ludendorff andeutungsweise zu lesen steht - daß er für eines anderen Verdienst gefeiert wurde?"
Hindenburg bedeutet Schwarz-weiß-rot
In der katholischen Zeitschrift "Allgemeine Rundschau" schrieb ihr Herausgeber Otto Kuntze: "Der Reichspräsident kann den Reichstag auflösen, befehligt die Wehrmacht und ist durch den berühmten
Artikel 48 RV in der Lage, zeitweise wie ein Diktator zu schalten. Das erheischt einen politisch erfahrenen, selbständigen Mann in der Vollkraft der Jahre. Sonst regieren günstigenfalls die Parteien, schlimmstenfalls unverantwortliche Hintermänner. Keine Ehrfurcht kann nun verhüllen, daß Hindenburg nicht mehr vollkräftig ist. Und politische Erfahrung hat er nie beansprucht. ... Wer politisch nüchtern denkt und nicht gefühlsmäßig, läßt sich durch den Namen Hindenburg nicht blenden. Er weiß, diese Wahl bedeutet Schwarz-weiß-rot, Herrschaft der Unglückspolitiker des Vorkriegs (vielleicht Bülow, Tirpitz), Vorarbeit für die Hohenzollern. ... Deshalb heißt unsere Losung Marx! Dessen Wähler lehnen aber von vornherein aufs allerschärfste den Verdacht ab, keine guten und nationalen Deutschen zu sein. Das Vaterland steht ihnen selbst über Hindenburg."
Spanien: Hindenburg steht an der Spitze des aggressiven Protestantismus
Im April 1925 berichteten die katholischen Zeitungen in Deutschland ausführlich vom Presseecho der Kandidatur Hindenburgs in Europa.
Der Korrespondent der "Germania" in Madrid schrieb: "Der konservative 'A.B.C.' ... hält die Kandidatur für einen Fehler. Hindenburg sei gewiß eine alle Achtung gebietende Persönlichkeit ... Jetzt aber würde seine Wahl eine besondere Bedeutung haben und Europa in Unruhe versetzen. ... 'Sol' drückt denselben Gedanken in schrofferer Form aus. Wenn Hindenburg auch nicht den Krieg bedeutet, sagt das Blatt, so würde er doch an der Spitze der nationalistischen Agitation stehen, die den Boden zu einem Kriege vorbereitet. Er personifiziert außerdem den hohenzollern-preußischen Genius. Die Vereinigten Staaten mißbilligen mit Recht den französischen Militarismus. Sie werden unter Hindenburg an das Wiederaufleben des deutschen Militarismus glauben müssen. Der klerikale 'Debate' ... tritt voll für Marx als Katholiken ein. Seine Kandidatur bedeute den Frieden, Hindenburg stehe bewußt oder unbewußt an der Spitze des aggressiven Protestantismus.'"
Frankreich: Hindenburg steht für die Wiederaufnahme der Politik von 1914
In der konservativen französischen Zeitung "Le Gaulois" kommentierte ihr Chefredakteur René Lara die Kandidatur Hindenburgs am 9. April 1925. Die "Kölnische Volkszeitung" veröffentlichte folgende Übersetzung:
"Die Situation ist jetzt klar: Auf der einen Seite ist das monarchistische Deutschland, welches sich nicht mehr die Mühe gibt, seine Absicht zu verbergen, d.h. die Absicht einer Rückkehr zum kaiserlichen Regime und der Wiederaufnahme der Politik von 1914; auf der anderen Seite das republikanische Deutschland, dasjenige, welches klar sieht, dem es gilt, im Landesinteresse die Weimarer Verfassung beizubehalten, um nicht den Klassenkampf zu entfesseln und das Mißtrauen des Auslandes wachzurufen. Mit Hindenburg ist volle Klarheit vorhanden." (Ob die Übersetzung der "Kölnischen Volkszeitung" richtig ist, kann hier kontrolliert werden)
Schweiz: Hindenburg-Wähler sind verbohrte Reaktionäre
Die katholische Zeitung "Germania" berichtete am 10. April 1925 von dem Presseecho der Kandidatur Hindenburgs in der Schweiz.
"Die 'Neue Zürcher Zeitung' schreibt: 'Schon seine Nominierung als Kandidat wird in den ehemaligen Ententeländern allen Gegnern des republikanischen Deutschlands eine Waffe liefern. Ein Wahlsieg Hindenburgs würde für das Deutsche Reich eine diplomatische Niederlage bedeuten.'
Die 'Nationalzeitung' meint: 'So oft Hindenburg in seiner Laufbahn politische Entschlüsse zu fassen hatte, fielen sie zum Unheil Deutschlands aus. Seine Wahl würde die von Deutschland in den letzten Monaten eingeleitete Politik der Verständigung, insbesondere mit England, schwer diskreditieren. Für oder wider die Niederlage, jene von gestern und jene von morgen, für oder wider den Frieden, für oder wider die Republik, das ist nun die Frage! Dank dem schweren Streich der Reaktion kann die Frage nun offen gestellt werden, muß Deutschland nun Farbe bekennen.'
Die 'Baseler Nachrichten' suchen der Kandidatur Hindenburgs Verständnis entgegenzubringen. 'Die Aufstellung der Kandidatur Hindenburgs für das Reichspräsidium hat die deutsche Wahlsituation mit einem Schlage stark verändert. Schien jetzt der Kandidatur Marx' ... der Sieg ziemlich sicher zu sein, so ist jetzt wohl eher mit einem Erfolge Hindenburgs zu rechnen. Man braucht nichts weniger als ein verbohrter Reaktionär zu sein, um als deutscher Wähler eine starke Versuchung zu empfinden, der ehrwürdigen, aufrechten Gestalt Hindenburgs mit dem Stimmzettel eine Huldigung darzubringen. Trotz dieser guten Erfolgsaussichten ist die Kandidatur Hindenburgs ein politischer Mißgriff. Der alte Marschall ist Soldat durch und durch und kann darum nicht mit 78 Jahren zum Staatsmann werden. Er ist auch Monarchist durch und durch, darum bringt man ihn in eine falsche Lage, wenn man ihn in ein Amt hineinnötigt, dessen Inhaber schwören muß, die republikanische Verfassung zu wahren. ..."
Holland: Hindenburg ist Kandidat der Wotan-Anbeter und Helmvergötterer
Unter der Überschrift "Wie man in Holland denkt" druckte die katholische Zeitung "Germania" am 12. April 1925 ein Schreiben "aus führenden katholischen Kreisen Hollands" ab:
"Alle holländischen Freunde Deutschlands (und das sind nach der Präsidentschaft Eberts und nach den Kanzlerschaften von Wirth und Marx alle Holländer ohne Ausnahme) stehen der Kandidatur Hindenburgs fassungslos gegenüber. In der ganzen Presse herrscht eine Art Stimmung des Entsetzens. Wir wollen das zeigen an zwei Beispielen.
Der bekannte Auslandsredakteur des katholischen Hauptorgans 'Tijd' schreibt: 'Es ist von Tirpitz also gelungen, den alten Feldmarschall zu überreden, eine Kandidatur anzunehmen ... Sie ist im Auslande ausnahmslos ungünstig empfangen. Die ungeneslich [sic] verblendeten Wotan-Anbeter und Helmvergötterer, die erst den Krieg für ihr Vaterland verloren haben, werden jetzt ganz sicher den Frieden verlieren. Denn Hindenburg ist für sie und für die ganze Welt das Symbol des Krieges und der Revanche. ... Die Parteien der Mörder Erzbergers und Rathenaus profitieren von der Abneigung der Bayern gegen Marx ... Der Kampf um die Präsidentschaft ist jetzt ein Kampf geworden: Monarchie oder Republik, ehrliches Verlangen nach Frieden oder Vorbereitung des Revanchekrieges. Es ist unverständlich, wie die Parteien der Rechten das Monopol der 'Vaterlandsliebe über die Parteipolitik' für sich in Anspruch zu nehmen wagen. Die Leute sind verblendet. Wir hatten bis zum letzten erhofft, daß die Bayern Einsicht gezeigt hätten. Es hat leider nicht sollen sein. Aber keine Schwäche. Die Kandidatur aus Hannover hat noch nicht gesiegt. Und sie wird nicht siegen, wenn die Deutschen, die auf dem Boden der Weimarer Verfassung stehen, ihre Pflicht tun.'
So urteilt auch der Amsterdamer 'Telegraaf': '... Die Kandidatur Hindenburg bedeutet, daß die deutschen Nationalisten, wie die Bourbons der Restauration, nichts gelernt, nichts vergessen haben. ... Vor allem aber bedeutet diese Kandidatur, daß das deutsche Volk sich zu entscheiden hat. Ein Weg führt in die Richtung der bürgerlichen Ruhe unter Führung des philosophischen Altkanzlers Marx, in die Richtung der festgefügten, stets mehr vom Auslande geschätzten Republik. Der andere führt in die Richtung der Bewaffnung, der Wiederherstellung der Monarchie der Hohenzollern, der Welteinheitsfront gegen Deutschland.'
Es wird in der Presse daran erinnert, daß noch vor kurzem Hindenburg in Hannover eine Abteilung der Reichswehr besichtigte. Der frühere Kaiser und der frühere Kronprinz hatten Glückwünsche gesandt. Der Feldmarschall hielt eine Rede zur Ehre des Kaisers und erklärte, daß die Traditionen der alten preußischen Garde nicht tot seien, sondern in der Reichswehr weiterleben. Die Rede und die Umgebung waren bitter wenig in Übereinstimmung mit der Idee eines republikanischen Präsidenten. Der Präsident Hindenburg kann nichts anders sein als der Statthalter der Hohenzollern. ...
Mit gespannter Erwartung blickt Holland nun auf Deutschland. Es wünscht den Sieg des früheren Kanzlers Marx, der in der ganzen Welt hohes Vertrauen genießt. Vor allem nach der Konferenz in London. Die Haltung der Bayerischen Volkspartei wird in der ganzen katholischen Presse scharf verurteilt. Man steht der Haltung dieser Partei, die lieber einen Hindenburg wählt als den Katholiken Marx, fassungslos gegenüber. Wenn wirklich Hindenburg gewählt wird, dann wird die ganze weltgeschichtliche Schuld auf die Schulter der Bayerischen Volkspartei fallen. Sie wird dann ein Ärgernis sein für die ganze übrige katholische Welt."
Wie die Mehrheit der bayerischen Katholiken schließlich abgestimmt hat, sieht man auf dieser Karte: