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Zum 60. Geburtstag von Maxim Biller

Der nervige, ewig abwesende monotheistische Gott, dessen Ruf angeblich der schwerhörige Abraham als Sechshundertjähriger gehört hatte, war nichts anderes als ein Synonym für die unangenehme Erkenntnis, dass es ihn gar nicht gab – so wie auch sonst den Menschen, in guten wie in schlechten Zeiten, keine höheren Wesen zur Verfügung standen.
Quelle: Biografie. Roman. Köln 2016.

Und dann fragte ich mich, was können "wir armen Menschen-Schweine" [...] gegen das Übel Determination tun? Wir, die Bewohner des therapeutischen Jahrhunderts, sind einfallslos wie Ameisen, die lieber ein Leben lang Grashalme schleppen, statt in der Sonne zu liegen, Camus zu lesen, Gainsbourg zu hören, sich die Eier zu kratzen. Wir rennen einmal, zweimal, dreimal die Woche zu unserem untherapierbaren Therapeuten, machen ihn, als hätten wir nicht genug komplizierte Beziehungen, zu unserer Seelengeisel und wundern uns, dass trotzdem nichts besser wird – außer dass wir nach einem Jahr in treatment dem Kindheitsleid nicht mal mehr metaphysische Bedeutung abgewinnen können. Dann stehen wir an einem herrlichen Sommermorgen am Grabmal des unbekannten Missbrauchsopfers, das wir selbst sind, und fühlen nichts, was von Bedeutung wäre ...
Quelle: Biografie. Roman. Köln 2016.

Ich bin ein Melancholiker, der nie vergisst, dass sowieso alles egal und umsonst ist, weil wir am Ende alle sterben werden.

Als Jude, also als ewig Zerrissener zwischen Welten, Kulturen und Sprachen, weiß man absolut genau, dass es keine letzte endgültige Wahrheit gibt, denn es kommt immer auf die Perspektive an und auf die Machtverhältnisse, in denen man lebt – und dass man trotzdem nie aufgeben darf, nach der Wahrheit zu suchen.
Quelle: Wer nichts glaubt, schreibt, in: Die Welt, 23. Juni 2018.

Je älter ich werde, desto mehr verachte ich Gott.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 24. Dezember 2008

Der erste und einzige Fehler der Juden war es wahrscheinlich, dass sie die Idee der Moral in die Welt gebracht haben. Bis heute nerven sie die Nichtjuden damit, dass sie vor allen anderen auf dem lebensbejahenden und ziemlich anstrengenden Gegensatz zwischen Gut und Böse, menschlich und unmenschlich [...] bestanden haben. Dabei haben die Christen immer noch nicht verwunden, dass sie selbst irgendwie auch Juden sind, aber in der schlechteren, softeren und in ungezählten Gottes- und Raubkriegen korrumpierten Jesus-Heuchel-Variante. Und dass ihr Religionsstifter damals, kurz vor Ostern 33, eigentlich nur gegen die alten, satten Nomenklatura-Rabbis rebelliert hat und ein besserer Jude sein wollte als sie, was sie aber überhaupt nicht interessierte, verletzt seine Anhänger bis heute, denn welches Kind will schon von den Eltern, die es kritisiert, für immer ignoriert werden.

Und wenn es einen Gott gegeben hätte, hätte der gedacht: Habe ich wirklich solche Idioten geschaffen?
Quelle: Biografie. Roman. Köln 2016.

Ohne Schrift hätten die zerstreuten Juden als Religions- und Geistesgemeinschaft keine 5000 Jahre überstanden. Statt der Bibel ein Comicstrip – und sie wären heute genauso vergessen wie Tauriner und Hethiter.
Quelle: Hundert Zeilen Hass. Hamburg 2017.

Ich weiß genau, wie ich bei der Beschreibung, wie die Juden Prags ihre Haustiere an die deutschen Besatzer abliefern mussten, plötzlich heulen musste, und ich erinnere mich auch, wie ich sie schließlich, als ich mich beruhigt hatte, in meinen Kindergedanken mit der Arche-Noah-Geschichte verglich, wütend auf Hitler ebenso wie auf Gott, weil beide so tun durften, als hätten sie über alle Menschen und Tiere ganz allein das Sagen.
Quelle: Sieben Versuche zu lieben. Familiengeschichten. Köln 2020.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)