13.01.25

Zum Tod von Oliviero Toscani

Die Kirche hat das beste Logo, das je entwickelt wurde, das Kreuz.
(Interview in: Süddeutsche Zeitung Magazin, 9.10.1992, S. 45)

Als Jesus und seine Agentur 'Die Apostel' die größte Kommunikationskampagne aller Zeiten entwickelten, geschah das eben nicht mit einer respektvollen und glücksverheißenden Bilderwelt. Ganz im Gegenteil! In diesem Clip findet sich einfach alles wieder, was die Werbung verachtet: Ein nackter Mann, der an ein Kreuz genagelt ist [...], Umarmung von Aussätzigen, überall Menschen im Elend, abstoßende Kranke, eine Geburt in einem Viehstall inmitten von Tierscheiße, Stunden beispielloser Qualen, Blut, das unter Hammerschlägen hervorspritzt, der Schmerz einer Mutter an der Seite ihres sterbenden Sohnes. [...] Die Jesus-Geschichte beschönigte weder die Leiden noch die Gewalt in der Welt. Sie machte keine Konzessionen an das Sicherheitsbedürfnis ihres Publikums. Sie lancierte die erste große organisierte Kampagne der Geschichte, und dabei wurde eben nicht auf sofortigen Gewinn abgezielt, und es wurden auch nicht die Qualitäten des Produktes direkt angepriesen: das Reich Gottes [...]. Sie erzählt uns von der Erlösung und der ewigen Glückseligkeit und verheißt uns dies durch einen gekreuzigten Mann im blutigen Lendentuch, nicht durch Claudia Schiffer im Chanel-Höschen. Und diese Kampagne ist seit zwei Jahrtausenden Teil der kollektiven Vorstellungswelt.
(Oliviero Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas. Deutsch von Barbara Neeb, Frankfurt a.M. 1997. Hier zitiert nach Klaus Müller.)


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)